15 maggio 2017

Preußen contra Reich vor dem Staatsgerichtshof: 1. Erster Verhandlungstag.

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ERSTER VERHANDLUNGSTAG
Montag den 10. Oktober 1932, vormittags 10.30 Uhr

| B | Index: 1. Bumke.: Apertura del processo. Indicazione delle parti e oggetto del processo. - 2. Gottheiner.: spiega perché il Cancelliere del Reich non è presente. - 3. Brecht.: agiremo lo stesso anche senza la presenza del Cancelliere del Reich. - 4. Bumke.: Preghiera e raccomandazioni al pubblico a causa della cattiva acustica della sala. - 5. Schmitz.: Rinvio redazionale all’Appendice, che contiene il testo della relazione. - 6. Bumke.: - 7. Brecht.: - 8. Jan.: - 9. Fecht.: - 10. Gottheiner.: - 11. Bumke.: -. | 12. Riproduzione anastatica del testo originale, qui ripubblicato. - 13. Indice e rinvio all’edizione anastica dell'intero volume. -

I. EINLEITENDE ERKLÄRUNGEN

1. • / Index.
Reichsgerichtspräsident Dr. Bumke: Die öffentliche Sitzung des Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich ist eröffnet.

- Es handelt sich um die zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Streitsachen:

1°. des Freistaats Preußen, vertreten durch das Preußische Staatsministerium, der Zentrumsfraktion im Preußischen Landtag, vertreten durch ihren Vorsitzenden, und der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei im Preußilchen Landtag, vertreten durch ihren Vorsitzenden,


gegen

das Deutsche Reich, vetrreten durch die Reichsregierung;
Reichsgericht in Leipzig um 1900

2°. des preußischen Ministerpräsidenten Dr. Otto Braun und des preußischen Ministers der Innern Dr. Carl Severing, sowie der preußischen Minister Hirtsiefer, Steiger, Dr. Schreiber, Dr. Schmidt, Grimme und Klepper


gegen

einmal das Deutsche Reich, vertreten durch die Reichsregierung, und ferner gegen den Reichskanzler als Reichskommissar von Preußen;

3°. um den Antrag des Landes Bayern, vertreten durch das Bayerische Gesamtministerium,


gegen

das Deutsche Reich, vertreten durch die Reichsregierung;

4°.  um den Antrag des Landes Baden, vertreten durch das Badische Staatsministerium,


gegen

das Deutsche Reich, vertreten durch die Reichsregierung,


 wegen

verfassungswidriger Einsetzung eines Reichskommissars für das Land Preußen.

Es sind erschienen:

Für das Land Preußen und wohl auch gleichzeitig für die bisherigen preußischen Staatsminister:

– Herr Ministerialdirektor Dr. Brecht,
– Herr Ministerialdirektor Dr. Badt,
– die Herren Universitäts-Professoren Giese und Anschütz.

Für die Zentrums fraktion:
– Herr Professor Dr. Peters;
für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei:
– Herr Professor Dr. Heller;
für das Land Bayern:
– Herr Staatsrat von Jan und Herr Professor Nawiasky, Herr Regierungsrat und Privatdozent Dr. Maunz;
für Baden:
– Herr Ministerialdirektor Dr. Fecht und Herr Oberregierungsrat Walz.

Für das Deutsche Reich und, wie ich wohl annehmen darf, gleichzeitig für den Herrn Reichskanzler als Reichskommissar für Preußen (Widerspruch von seiten des Reichsvertreters) sind erschienen:
– Herr Ministerialdirektor Gottheiner und Herr Ministerialdirektor Dr. Hoche, Herr Professor Dr. Carl Schmitt, Herr Professor Dr. Jacobi und Herr Professor Dr. Bilfinger.

Ich glaube, daß ich damit wohl alle Herren aufgerufen habe. Darf ich dann zunächst an Herrn Ministerialdirektor Gottheiner die Frage richten, wie ich das verstehen soll, daß, soweit ich sehe, dann der Herr Reichskanzler als Reichkommissar für Preußen heute unvertreten ist.
Georg Gottheiner (1879-1956)

2.  •
/ Index. 
Ministerialdirektor Gottheiner: Der Herr Reichskanzeler ist in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für das Land Preußen nicht vertreten. Ich beziehe mich in dieser Beziehung auf den Schlußsatz unseres Schriftsatzes von 20. September in der Staatsgerichtshofssache 19/32.

3. • / Index. 
Ministerialdirektor Dr. Brecht: Wir würden dann beantragen, ohne den Vertreter des Reichskanzlers zu verhandeln.

4./ Index. 
Reichspräsident  Dr. Bumke: Über diese Frage muß ich der Staatsgericht noch schlüssig machen.

Ich möchte dann zunächst an die Zuhörer die Bitte richten, nach Möglichkeit in keiner Weise diese Verhandlung zu stören.  Dieser Saal hat eine außerordentlich schlechte Akustik, und selbst das kleinste Geräusch in Zuhörerraum ist geeignet, uns vom Staatsgerichtshof, aber auch den Herren Vertreten, sowie den Herren von der Presse die Beobachtung der Vorgänge, die für uns wichtig sind, zu erschweren. Ich würde dankbar sein, wenn auf diese Bitte ganz allgemein Rücksicht genommen würde.

Ich darf dann zünachst den Herrn Berichterstatter bitten, seinen Bericht zu erstatten. 


5./ Index. 
Berichterstatter Reichsgerichtsrat Dr. Schmitz (erstattet auf Grund der Schriftsätze Bericht. Der Bericht wird hier nicht abgedruckt; es wird statt dessen auf den Teil I der Gründe der im Anhang abgedruckten Entscheidung des Staatsgerichtshofs vom 25. Oktober 1932 verwiesen.) 

6./ Index. 
Reichsgerichtspräsident Dr. Bumke: Darf ich dann folgendes sagen. Zunächst liegt mir daran, mit einem Wort auf die bisherige Entwicklung dieser Streitsache einzugehen. Ich tue das nicht um deswillen, weil in der Presse zu einem Teil Vorwürfe gegen den Staatsgerichtshof erhoben worden sind, daß er das Verfahren verzögere, zum Teil ist sogar ziemlich unverhüllt gesagt worden, absichtlich verschleppe. Uns genügt das Bewußtsein, daß wir alles Erdenkliche getan haben, um seit jenem Tage, an dem über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung entschieden wurde, das Verfahren mit aller Kraft zu fördern und zu Ende zu treiben. Ich gehe vielmehr auf diese Dinge um deswillen ein, weil in der Presse auch zutage getreten ist, daß die eine oder die andere Partei dies Verfahren gewissermaßen sabotiert habe. Ich kann dazu nur sagen, daß ich auf Grund einer sehr genauen Kenntnis des ganzen Ganges dieser Angelegenheit die klare und bestimmte Überzeugung habe, daß keiner der Beteiligten irgendetwas getan hat, was diese Entscheidung hätte aufhalten können, sondern daß im GegenteIl von allen Stellen mit äußerster Kraft und mit äußerster Beschleunigung gearbeitet worden ist. Was die Sache lange aufgehalten hat, ist ihre Schwierigkeit, eine Schwierigkeit, die in der Öffentlichkeit zu einem großen Teil bisher völlig verkannt worden ist, ihre Schwierigkeit und ihre Tragweite. Ich kann insbesondere auch hervorheben, daß seitens des Reichs von vornherein und immer wieder der Wunsch zutage getreten ist, die Sache nach Möglichkeit zu beschleunigen. Ich darf schließlich bemerken, daß der Schriftwechsel in diesen Angelegenheiten seinen Abschluß am 22. September gefunden hat. Am 28. September ist der Termin anberaumt worden. Damit möchte ich dies Kapitel verlassen. Ich nehme nicht an, daß dazu Erklärungen gewünscht werden.

Ich möchte mich dann der Frage der geschäftlichen Disposition zuwenden. Ebenso wie der Staatsgerichtshof verfrühten Mitteilungen über das vorausichtliche Datum des Termins fern gestanden hat, ebenso steht er auch diesmal den Mitteilungen ganz fern, die über die Dauer der Verhandlungen gebraucht worden sind. Ich für meine Person vermag nicht einzusehen, worauf sich die Annahme stützt, daß unsere Verhandlungen drei Tage dauern werden und unsere Beratungen zwei Tage (Heiterkeit). Das kann ich umso weniger voraussagen oder prophezeien, als naturgemäß die Dauer der Verhandlungen ganz stark, ich möchte sagen, ausschlaggebend, von den Parteien selbst beeinflußt wird. Ich kann es selbstverständlich in einer solchen Sache den Beteiligten nicht verwehren, uns ihre Auffassung mit aller Gründlichkeit und Deutlichkeit darzulegen. Allerdings darf ich dabei eine Einschaltung machen. Ich pflege stets im Staatsgerichtshof hervorzuheben, und möchte das auch heute tun, daß alles das, was in den Schriftsätzen steht, nicht nur dem Berichterstatter, nicht nur dem Vorsitzenden, sondern den sämtlichen anderweitig an der Verhandlung beteiligten Mitgliedern des Staatsgerichtshofs bekannt ist, so daß an sich die Möglichkeit bestände, im breiten Umfange auf das zu verweisen, was in den Schriftsätzen steht. Nun verkenne ich auf der anderen Seite aber nicht, daß gerade bei einer solchen Streitsache, an der mit Recht die Öffentlichkeit ein brennendes Interesse hat, die Parteien den Wunsch haben, ihre Auffassungen hier nicht in der Form geltend zu machen, daß sie auf Schriftsätze verweisen, die der Öffentlichkeit unbekannt sind, sondern ihre Auffassung hier mündlich vorzutragen und so gewissermaßen auch der Öffentlichkeit zu unterbreiten. Dabei darf ich aber eines sagen: die Aufgabe des Staatsgerichtshofs ist nicht, zu prüfen und darüber zu entscheiden, ob das, was geschehen und was hier angefochten ist, politisch zweckmäßig, politisch heilsam war oder nicht. Der Staatsgerichtshof hat darüber zu entscheiden, ob das, was geschehen ist, sich im Rahmen der Verfassung hält. Nur unter diesem Gesichtspunkt allein kann unsere Verhandlung stehen. und ich richte an die Herren Vertreter die Bitte, sich dieses Zieles unserer Verhandlungen bewußt zu sein. Es wird sich selbstverständlich nicht umgehen lassen, daß gewisse Werturteile, gewisse Auffassungen über die politische Lage und die politischen Wirkungen mit in die Verhandlungen hineinspielen, aber alles, was uns nach der Richtung vorgetragen wird, hat für uns nur Bedeutung, soweit es auf diese Frage der Rechtmäßigkeit, der Verfassungsmäßigkeit Bezug hat.
 

Wie nun die sehr zahlreichen Herren Vertreter sich untereinander die Vertretung geteilt haben, und wie die Gefahr gewisser Wiederholungen verhütet werden soll, muß ich den Herren selbst überlassen. Nur darf ich vielleicht den Herren Universitätsprofessoren, – von denen ich annehme, daß sie gewissermaßen als sachverständige Berater der Beteiligten, die sie beauftragt haben, hier erschienen sind, und bei denen ich davon ausgehe, daß sie für sich ein volles Maß von wissensschaftlicher Unabhängigkeit in Anspruch nehmen – sagen, daß diese Fragen des Art. 8 auch, soweit sie in der Literatur und zwar bis in die neueste Zeit hinein wissenschäftlich behandelt worden sind, dem Staatsgerichtshof und seinen einzelnen Mitgliedern als bekannt vorausgesetzt werden dürfen. 

Ich möchte dann zu der Frage der äußeren Einteilung der nächsten Tage übergehen. Ich lege großen Wert darauf, daß wir alle unsere Spannkraft bis zum letzten Moment bewahren, und daß die Mitglieder des Staatsgerichtshof auch nach dieser Verhandlung in die Beratung nicht in einem völlig abgekämpften Zustand hineingehen. Ich möchte deshalb an dem immer eingeschlagenen und durchaus bewährten Verfahren festhalten, daß wir unsere Tage nIcht übermäßig vollstopfen. Ich schlage vor, daß wir im allgemeinen gegen Mittag eine ausgiebige Pause von 2 - 2 1/2 Stunden machen. Dabei kommt auch in Betracht, daß meine übrigen Geschäfte natürlich nicht liegen bleiben.

Dann darf ich zu der Frage übergehen, wie wir uns den Stoff einteilen wollen. In dieser Angelegenheit spielt eine erhebliche Rolle die Frage, die man im allgemeinen als die Frage der Prozeßvoraussetzungen zu bezeichnen pflegt, die Frage, inwieweit den Streitteilen, die sich an uns gewandt haben, eine Parteistellung, die Parteifähigkeit zuzubilligen ist, also die Frage, inwieweit sie gerade den Streit, den sie an uns herangetragen haben, führen können, die Frage der Aktivlegitimation. Es kommt hier dazu die Frage der Passivlegitimation. Es kommt dann ferner die Frage, ob das, was sich hier zwischen Bayern und Baden auf der einen Seite und dem Reich auf der andern Seite abspielt, eine Verfassungsstreitigkeit im Sinne des Art. 19 der Reichsverfassung ist oder nicht, kurz eine ganze Reihe von Einzelfragen, die alle etwas abseits des Hauptthemas liegen. Es kann sich dann auch die Frage erheben, ob an der Fassung der Anträge noch zweckmäßig dieses oder jenes retuschiert, geändert werden sollte.  – Ich möchte empfehlen, alle diese Fragen zunächst beiseite zu lassen und sie an den Schluß zu stellen. Sie sind gewiß wichtig, aber sie sind, wie ich glaube, nicht annähernd so wichtig wie das Hauptthema, das uns beschäftigen soll, und ich möchte auch vermeiden, daß wir bei der Erörterung dieser Fragen unnötig Zeit und Kraft vergeuden, die wir bei dem Hauptthema besser verwenden könnten. Dann glaube ich auch, daß die Erörterung eben dieser Fragen doch immer wieder in die Hauptsache selbst hineinführt, so daß wir dann schon dazu kämen, vorzugreifen. – Ich darf wohl davon ausgehen, daß gegen diesen Vorschlag keine Bedenken bestehen. (Wird durch Zuruf bestätigt.)


Ich möchte dann weiter vorschlagen, daß wir uns zunächst darüber unterhalten, welche tatsächliche Lage am 20. Juli d. J. nach Auffassung der Beteiligten bestand, und auf welche Erwägungen tatsächlicher Art sich die Annahme stützen konnte und gestützt hat, daß ein Einschreiten mit den in der Verordnung vom 20. Juli bezeichneten Mitteln gegenüber Preußen nötig sei.


Ich möchte dann vorschlagen, wenn dies Kapitel erörtert ist, uns der Frage zuzuwenden: Welcher Zustand ist nach Auffassung der Parteien durch die Verordnung vom 20. Juli und durch die Ausführung dieser Verordnung in Preußen geschaffen worden? Dabei würde ich besonderen Wert darauf legen, etwas Näheres darüber zu hören, wie die Beteiligten die Stellung des Herrn Reichskanzlers als Reichskommissar für Preußen und die Stellung der von ihm wiederum bestellten Kommissare für Preußen auffassen. Dabei interessiert uns namentlich, ob der Herr Reichskanzler in dieser Eigenschaft als Reichskommissar als eine reine Reichsstelle angesehen wird, die als Reichsstelle nun vorübergehend für Preußen handelt oder, zugleich wenigstens, auch als eine preußische Stelle. Und ebenso würde in diesen Rahmen wohl die Frage hineingehören, wie nun eigentlich die Rechtslage der preußischen Staatsminister, die jetzt der Ausübung ihres Amtes enthoben sind, zu beurteilen ist.


Wenn wir diese Frage behandelt haben, dann können wir uns der Erörterung über den Art. 48 Abs. 1 zuwenden. Hier, glaube ich, wird man nicht an den Fragen der Grundkonstruktion des Reichs vorübergehen können, auch nicht an der geschichtlichen Entwichlung, insbesondere an der Frage, unter welchen Umständen und aus welchen Gedankengängen heraus der Art. 48 entstanden ist und an der Frage, wie er seit seiner Entstehung angewandt worden ist. Gerade mit Rücksicht darauf, daß in den Schriftsätzen mitunter mit dem Gedanken operiert wird, aus dem Wesen eines Bundesstaates ergebe sich das und das, würde ich auch glauben, daß wir nicht ganz vorübergehen sollten an der Frage der Rechtsvergleichung und insbesondere die Verhältnisse der Schweiz und vielleicht von Nordamerika wenigstens kurz streifen, soweit die Parteien selbst glauben, daraus für ihre Rechtsauffassung irgendwelche Folgerungen ableiten zu können.


Ich würde dann vorschlagen, daß wir zunächst Art. 48 Abs. 1 erörtern und diese Erörterung in zwei große Gruppen teilen: die Voraussetzungen und die Befugnisse. Was wiederum die Voraussetzungen angeht, so scheinen mir nach dem bisherigen Schriftwechsel einer besonderen Erörterung wert

1. die Frage: Was heißt Pflichtverletzung eines Landes?
2. die Frage: Inwieweit erfordert der Art. 48 Abs. 1 ein subjektives Verschulden?
3. die Frage: Setzt Art. 48 Abs. I eine zuvorige Mängelrüge voraus?
und
 4. die Frage: Ist die Auffassung berechtigt, daß auf Grund des Art. 48 Abs. 1 nur eingegriffen werden darf, nachdem zuvor durch gerichtliche Entscheidung die Tatsache der Pflichtverletzung festgestellt ist?
Dann käme die Frage, welche Befugnisse Art. 48 Abs. I dem Reichspräsidenten gewährt, und wo die Grenzen dieser Befugnisse zu finden sind, wobei die einzelnen Fragen der Sequestration der Absetzung von Ministern, Reichsrat, Verhältnis zum Parlament, Beamtenernennung zu erörtern wären.

Wenn wir dies Kapitel erledigt haben, könnten wir uns zu Art. 48 Ab. 2 wenden. Auch hier würde wohl zweckmäßig zunächst die Frage der Voraussetzungen zu erörtern sein, und es erscheint in diesem Zusammenhang nun eine Unterfrage, vielleicht auch zwei Unterfragen, einmal die in den Schriftsätzen mehrfach angeschnittene Frage, ob der Reichspräsident befugt ist, gegen ein deutsches Land auf Grund des Art. 48 Abs. 1 einzuschreiten, ohne gleichzeitig gegen andere Länder einzuschreiten, in denen die gleichen oder ähnliche Verhältnisse vorliegen, und zweitens die Frage, ob der Reichspräsident an diesem Einschreiten aus Art. 48 Abs. 1 irgendwie dadurch gehindert sein kann, daß durch die Politik des Reiches selbst dazu beigetragen worden ist, die Voraussetzungen für ein Einschreiten aus Art. 48 Abs. 1 zu schaffen.


Was dann die Frage der Befugnisse aus Art. 48 Abs. 2 angeht, so wird man vielleicht zweckmäßig hier ähnlich prozedieren wie bei Art. 48 Abs. 1.


Wenn wir diese Fragen erledigt haben, bleibt uns nach meiner Auffassung noch eine große Frage übrig, nämlich: In welchem Umfange sind die Schritte, die der Reichspräsident auf Grund des Art. 48 Abs. 1 oder 2 unternimmt, gerichtlich nachprüfbar, und darunter würde sich dann als Sonderfrage wieder erheben: Nimmt in dieser Frage das Nachprüfungsrecht des Staatsgerichtshofs etwa im Vergleich zu anderen Gerichten eine besondere Stellung ein?


Wenn wir diese Fragen erledigt haben, können wir uns den Fragen, von denen ich im Anfang sprach, zuwenden, den Fragen der Parteifähigkeit der Aktiv-und Passiv-Legitimation.


Schon aus diesem Stoff und dem Bericht ergibt sich nach meiner Auffassung, daß es einer äußersten Konzentration bedürfen wird, wenn wir in absehbarer Zeit – ich nenne keine Zahl von Tagen – mit den Verhandlungen zu Ende kommen wollen. Ich würde aber diese Konzentration nicht nur um deswillen empfehlen, damit die Entscheidung nun endlich ergehen kann, sondern auch um deswillen. weil nur durch ein starkes Herausarbeiten der leitenden Gesichtspunkte der wirklich wichtigen Fragen, die Öffentlichkeit ein klares Bild von dem gewinnen kann, was hier eigentlich verhandelt wird.


Ich darf mich dann dem ersten Punkt zuwenden: Welches war nach Auffassung der Beteiligten die tatsächliche Lage am 20. Juli 1932 und auf welche Erwägungen konnte ich die Annahme stützen, daß in der Art vorgegangen werden müsse, wie vorgegangen ist?


Auch hier scheint es mir durchaus möglich, daß wir alles Detail beiseite lassen. Es sind dem Staatsgerichtshof eine große Zahl von Äußerungen über Vorgänge in den Ministerien beigebracht worden, Äußerungen, Gegenäußerungen, protokollarische Vernehmungen. Es haben diese Erörterungen schließlich zurückgeleitet bis in das Jahr 1927 zu Vorgängen und Umständen beim Verbot des Rot-Front-Kämpfer-Bundes. Ich glaube nicht, daß es nötig ist und daß es der Klarheit dienen würde, wenn wir uns jetzt auf diese Einzelheiten einließen. Ich möchte meinen, daß es genügen würde, wenn Reich und Preußen uns in großen Zügen ihre Auffassung der tatächlichen Lage am 20. Juli darstellten. Ich möchte ferner glauben, daß auch die Erörterungen über diesen, den heißesten Punkt, in diesem Saale so gehalten werden können und sollten, daß alles persönlich Verletzende herausbleibt. Wir sollten uns darüber klar sein, daß hier der Kampf nicht vor einem politischen Gremium geführt wird, sondern vor einer Rechtsinstanz, und daß es andere Orte, andere Gelegenheiten geben wird, um das, was der rein politischen Rechtfertigung dienen kann, zu sagen.


Ich möchte dann nur noch mit einem Wort auf die Frage einsehen, in welchem Lichte ich gern die Frage des Art. 48 Abs. 1 und 2 gesehen haben möchte. Gerade weil ich davon ausgegangen bin, daß wir die Frage der tatsichlichen Vorgänge voraus behandeln, meine ich, daß wir dann den Art. 48 Ab. 1 und 2 in einem ganz allgemeinen Lichte betrachten müssen. Hier liegt vielleicht für den Staatsgerichtshof die größte Schwierigkeit, nämlich die, zu vermeiden, daß er aus Anlaß eines bestimmten Vorkommnisses Verfassungsartikeln einen Sinn gibt, einem Verfassungsartikel eine Grenze zieht, die ich bei einem neuen Vorkommnis als unerträglich, als falsch erweist. Dieser Gefahr werden wir am besten ausweichen, wenn wir uns bei der Erörterung des Art. 48 Abs. 1 und 2 vorzustellen versuchen, welche Lagen der äußersten Gefahr überhaupt eintreten können, wenn wir uns auch versuchen zurückzudenken in Zeiten schwerster außenpolitischer Spannung und auch in Zeiten, in denen vielleicht dann vom Inland zum Ausland gewisse, für das Gesamtwohl des Reich höchst bedrohliche Fäden laufen. Die Zeiten, in denen das geschehen ist, sind nicht allzu fern. Ich glaube, wir können zu einer richtigen Erkenntnis nur dann kommen, wenn wir auch die äußerste Möglichkeit einer Gefahr für das Reich mit ins Augen fassen.


7./ Index. 
Ministerialdirektor Dr. Brecht: Ich bitte um die Erlaubnis, noch vor der Tagesordnung einige Worte über den Sinn der preußischen Klage zu sagen.

Was will Preußen mit seiner Klage? Preußen will keinen Angriff gegen die Person des Herrn Reichspräsidenten richten. Die Herren preußischen Staatsminister haben keinen Zweifel an dem grundsätzlichen Willen des Herrn Reichspräsidenten die Verfassung zu wahren. Sie sind alle Wähler des Herrn Reichspräsidenten, ja mehr, sie haben sich für seine Wahl mit all ihren Kräften eingesetz. Sie erhalten ihm die Verehrung, die ihm als dem deutschen Reichsoberhaupt im besonderen Maße gebührt.


Wohl aber bestreiten sie auf das entschiedenste die Richtigkeit der Informationen, die dem Herrn Reichspräsidenten gegeben worden sind, und die Richtigkeit der Auslegung der Reichsverfassung, die man ihm vorgetragen hat.


Gegenstand unserer Klage ist nicht – wie der Herr Präsident des Staatsserichtsbofs schon sagte – die politische Zweckmäßigkeit des Vorgehens der Reichsregierung, nicht einmal die gute Absicht der Reichsregierung, sondern lediglich die rechtliche Zulässigkeit ihres Vorgehens.


Gegenstand des Streites ist vor allem die Befreiung Preußens und seiner Minister von dem die Ehre des Landes und seiner Vertreter aufs tiefste kränkenden Vorwurf, daß das Land Preußen die ihm nach der Reichsverfassung und den Reichsgesetzen obliegenden Pflichten nicht erfüllt habe, und daher sequestriert werden könne und müsse. Preußen und die preußischen Minister nehmen es an Reichstreue mit jedem auf, sei er, wer er wolle.


Der Herr Ministerpräsident und die Herren Staatsminister erwarten mit Gewißheit eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs, wonach die Verordnung in dieser Form, in der sie ergangen ist, aufgehoben werden muß. Dann ist es Sache des politischen Geschicks, eine andere Lösung zu finden, bis der Landtag eine neue Regierung ernennt, und insbesondere, wenn möglich, die Union Reich-Preußen in einer neuen, besseren Form fortzusetzen und verfassungsmäßig zu regeln. Die Herren Minister stellen ihre Person dabei vollständig zurück. An der Personenfrage wird es nicht scheitern. Aber diese politischen Probleme zu meistern, ist nicht Angelegenheit dieses Verfahrens, in dem es sich – darin stimmen wir vollständig mit dem Herrn Vorsitzenden des Staatsgerichtshofs überein –nur darum handeln darf, Recht zu sprechen.


8./ Index.
Staatsrat von Jan: Ich habe namens der Bayerischen Regierung folgendes zu erklären: Der Sinn der bayerischen Klage ist ein durchaus anderer als der Sinn der preußischen Klage. Die bayerische Klage richtet sich nicht unmittelbar gegen die Verordnung vom 20. Juli 1932. Unser Blick richtet sich nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft. Es kommt uns darauf an, im bundesfreundlichen Sinne möglichst im Einvernehmen mit den Reichsorganen eine Basis zu schaffen für die zukünftige Anwendung des Art. 48 überhaupt.

9./ Index. 
Ministerialdirektor Dr. Fecht: Für die Badische Regierung möchte ich folgendes erklären: Auch Baden hat ebenso wie Bayern lediglich Feststellungsklage erhoben zu dem Zweck, die absoluten und relativen Grenzen festzustellen, welche der Reichsregierung hinsichtlich der Anwendung der Bestimmungen des Art. 48 bei Exekutionen, Diktaturmaßnahmen gegen deutsche Länder gegeben sind. Die Badische Regierung hält eine solche Feststellung für nötig, nachdem auch nach ihrer Auffassung bei dem Vorgehen des Reichs gegen Preußen eine Rechtsauffassung der Reichsregierung zutage getreten ist, die die Badische Regierung als mit der Reichsverfassung nicht vereinbarlich anzusehen vermag. Die Badische Regierung befürchtet, daß durch die Rechtsauffassung der Reichsregierung der bundesstaatliche Charakter der Reichsverfassung in Frage gestellt wird und die Länder Eingriffen ausgesetzt werden, die die ihnen durch die Reichsverfassung gewährleistete Eigenstaatlichkeit vernichten. Die Badische Regierung hat ihre Klage als selbständige Klage, unabhängig von der Klage des Preußischen Staatsministerium. erhoben, um die vordringlichen Rechtsfragen, die sich hinsichtlich der Anwendbarkeit des Art. 48 auf Fälle vorliegender Art ergeben, zur Klärung zu bringen und damit zur politischen Beruhigung des Reiches beizutragen. Wenn die badische Regierung sich mit der Verbindung der Verhandlung ihrer Klage mit der preußischen einverstanden erklärt, so glaubt sie den Zweckmäßigkeitsgründen sich nicht verschließen zu sollen, die dafür sprechen. Die Vertreter werden sich aber auch nach der Verbindung der Klagen lediglich auf die Beteiligung an der Erörterung der Rechtsfragen beschränken. Die Badische Regierung hofft, daß die Verhandlungen vor dem Staatsgerichtshof im versöhnlichen Geiste geführt werden und den mit der badischen Klage verfolgten Zweck einer Klärung der Rechtslage und einer Bereinigung der politischen Atmosphäre erfüllen.

Wenn der Herr Vertreter von Preußen die Erklärung abgegeben hat, daß ihre Klage keine Spitze gegen den Herrn Reichspräsidenten enthalte, so kann ich mich dieser Erklärung für die badische Regierung nur anschließen. Für die badische Regierung handelt es sich lediglich darum, für die nach Art. 50 für die Anordnungen des Herrn Reichspräsidenten verantwortliche Reichsregierung festzustellen, in welchem Umfange die Beeinträchtigung der verfassungsmäßigen Rechte der Länder durch Maßnahmen auf Grund des Art. 48 möglich oder nicht möglich ist. Die verehrungswürdige und verehrte Person des Herrn Reichspräsidenten wird durch den Austrag dieser Rechtsfrage nach Auffassung der badischen Regierung in keiner Weise berührt. 


10./ Index. 
Ministerialdirektor Gottheiner: Soll jetzt gleich in die Erörterung des Punktes I eingetreten werden? – dann wollte ich mich zum Wort melden. 

11. •
/ Index. 
Reichsgerichtspräsident Dr. Bumke: Zunächst bitte ich die Herren Dr. Brecht, von Jan und Fecht mir möglichst den Wortlaut ihrer Erklärungen zu geben. 

Im übrigen ist die Lage bei diesem Punkt eigentümlich. Es läge an sich nahe, daß zunächst das Reich sagt, warum es so vorgegangen ist, wie das in der Verordnung vom 20. Juli geschehen ist, aber prozeßrechtlich kann ich wohl nicht umhin, zuerst die Antragsteller zu fragen, ob sie nicht das Wort zunächst zu ergreifen wünschen. Ich habe das Empfinden, daß diese Frage bejaht werden wird. Bei dieser Prozeßlage bleibt mir nichts anderes übrig, als den Herrn Vertreter dei Reichs zu bitten, zunächst noch die Erklärung Preußens in diesem Punkte abzuwarten. Ich würde dann die preußischen Herren bitten, das Wort zu nehmen.
Top.

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