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Hugo Ball (1886-1927) |
Hugo Ball nacque a Pirmasens (Renania-Palatinato) il
22 febbraio 1886 e morì a Sant’Abbondio (oggi Gentilino) il 14 settembre
1927, all’età di 41 anni. Il saggio che segue fa parte della
Bibliografia su Carl Schmitt ed apparve in Hochland, 1924, Juniheft, p.
263-286. Fece le scuole secondarie a Zweibrücken, studiò a Monaco,
Heidelberg e Basilea. Di formazione pietista, poi convertitosi al
cattolicesimo, Ball fu lettore di Friedrich Nietzsche. Visse a Berlino.
Emigrò in Svizzera nel 1915. Fu tra i fondatori del dadaismo e svolse
come giornalista attività di critica culturale e politica. Il suo
articolo sulla teologia politica di Carl Schmitt sarà poi ripreso dai
nazisti per un attacco a Schmitt nel gennaio 1937 dall’Ufficio di Alfred
Rosenberg, preposto alla sorverglianza sull’ortodossia ideologica di
ogni funzionario del regime, specialmente se accademico. Hugo Ball è da
annoverare fra gli amici più intimi di Carl Schmitt insieme con altri
importanti scrittori come Ernst Jünger e Robert Musil. Dalla Biografia
di Bendersky: «Per un breve periodo Schmitt intrattenne rapporti
amichevoli anche con Hugo Ball che, dadaista, in quel periodo era
cattolico. BalI fu così impressionato dalla prima lettura di un lavoro
di Schmitt che esclamò: “[. . .] nella sua qualità di pensatore
cattolico [questo giurista] è un novello Kant”. All’inizio dell'estate
del 1924, quando finalmente ebbe modo di conoscere questo suo
ammiratore, tra Schmitt e la famiglia di Ball nacque un rapporto molto
stretto: continuarono a scambiarsi lunghe lettere finché, nel 1925, i
legami si ruppero a causa di dissapori personali non meglio precisati,
anche se all’apice del suo entusiasmo Ball aveva pubblicato un lungo
articolo su
Hochland, in cui aveva reso omaggio a Schmitt come difensore del cattolicesimo e della civiltà europea» (trad. it., p. 79).
Hugo BALL
Carl Schmitts politische Theologie
in:
Hochland, 1924, B. XXII, Juniheft, S. 263-286
Hochland. -
Monatschrift für alle Gebiete des Wissens, der Literatur und Kunst, 21. Jg. April 1924 – September 1924, Bd. 2, p. 261-286. Il testo è stato ripubblicato in: Jacob Taubes (Hrsg.),
Der Fürst dieser Welt. Carl Schmitt und die Folgen, Ferdinand Schöningh – Wilhelm Fink Verlag, 1983, pp. 100-115.
I.
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Pag. 263 |
Carl Schmitt fa parte di quei pochi intellettuali tedeschi che sanno
fronteggiare i rischi professionali di una cattedra dei nostri giorni. Ja ich stehe nicht an zu behaupten, daß er
den Typus des neuen deutschen Gelehrten überhaupt erst für sich erobert
und inauguriert hat.Wenn die Schriften dieses merkwürdigen Professors
(um nicht Konfessors zu sagen) nur dazu dienten, die katholische
(universale) Physiognomie ihres Verfassers erkennen und studieren zu
lassen, es würde vollauf genügen, ihnen einen überragenden Rang zu
sichern. Chesterton sagt einmal in einem schönen Essay „Von den
Idealen“, daß unserer verworrenen und argen Zeit zu ihrer Sanierung
keineswegs der große Praktiker nottut, nach dem alle Welt verlangt,
sondern der große Ideologe. « Ein Praktiker, das ist ein Mensch,
eingewohnt in die Alltagspraxis, in die Art, wie die Dinge gemeinhin
funktionieren. Wenn aber die Dinge nicht arbeiten, dann braucht man den
Denker, den Mann, der sowas wie eine Doktrin hat, warum die Dinge
überhaupt funktionieren. Es ist unrecht, zu geigen, während Rom brennt,
aber es ist ganz in der Ordnung, die Theorie der Hydraulik zu studieren,
während Rom brennt ». Carl Schmitt gehört zu denen, die „die Theorie
der Hydraulik studieren“; er ist mit seltener Überzeugung Ideologe; ja
man kann sagen, daß er diesem Wort, das unter Deutschen seit Bismarck
eine üble Bedeutung hat, wieder zu Ansehen verhelfen wird.
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Was
bezeichnet den Ideologen? Wie kommt er zustande? Er hat ein
persönliches, fast ein privates System, dem er Dauer verleihen möchte.
Er gruppiert alle Lebenstatsachen, gruppiert seine ganze Erfahrung um
die eine Grundüberzeugung, daß Ideen das Leben beherrschen; daß das
Leben niemals nach seinen Bedingungen, sondern nur nach freien,
unbedingten, ja bedingenden Einsichten, eben nach Ideen, geordnet und
aufgebaut werden kann.
Die Exaltierung und Hartnäckigkeit dieser seiner Überzeugung macht die
Größe des Ideologen aus. In einer Zeit, die das Nichts anbetet, indem
sie die Ideologie bekämpft oder belächelt, in solcher Zeit wird der
Ideologe genötigt sein, seine Basis zu prüfen. Er wird zum Politiker und
schließlich zum Theologen werden, ehe er sich's versieht. Man könnte
sagen, daß in der engelmacherischen Tendenz unserer Zeit ihre letzte
Hoffnung beschlossen liegt. Wie dem auch sei: in Carl Schmitts Werk
findet die Ideologie einen ihrer schärfsten und glühendsten Verteidiger.
Sein Ausgangspunkt ist das Recht, die Rechtswissenschaft; er ist
Professor der Rechte in Bonn. Seine ersten Schriften handeln von „Schuld
und Schuldarten“ (1910), von „Gesetz und Urteil" (1912). Doch findet
sich schon der Übergang zur politischen Philosophie („Der Wert des
Staates und die Bedeutung des Einzelnen“, 1914). Es gibt kein Recht
außerhalb des Staates, und es gibt keinen Staat außerhalb des Rechts. Da
kann es auch keine Gerechten geben, die nicht den Staat als die nächste
Instanz der Idee anerkennen („Politische Romantik“, 1919, Duncker
& Humblot, dort auch die späteren Schriften). In den späteren
und letzten Schriften erweitert sich die Instanzenfrage zur Frage nach
der letzten bestimmenden Autorität und Form, womit die juristische
Interpretation einer „Politischen Theologie“ ihren Abschluß erfährt.
II.
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Pag. 264 |
Das nun ist die Eigenart dieses Gelehrten: Das
Problem des Ideologen ist ihm nicht nur bewußt; er baut gerade aus
diesem Problem, aus diesem Erlebnis sein Werk in allen Bezügen und
Folgen auf. In der Gewissensform seiner Begabung erlebt er die Zeit.
Das gibt seinen Schriften ihre seltene Konsistenz; das gibt ihnen jene
universale Geschlossenheit, in der sie sich präsentieren. Er verfolgt
eine angeborene juristische Neigung, um nicht zu sagen seine formale
Gesinnung, bis in den letzten bedingenden Grund, mit einer
ungewöhnlichen Kraft der Dialektik und ebenso ungewöhnlicher
Sprachgewalt. Das Resultat zeigt eine Verflochtenheit der Rechtsfrage
mit allen soziologischen und ideologischen Instanzen. Man könnte auch
sagen: da ihm die Rechtsidee einmal verliehen ist, sucht er dem Faktum
Dauer zu verleihen, erhebt er die ihm verliehene Gabe zu ihrem höchsten
erreichbaren Wert. Er möchte die Rechtsidee nicht nur erkennen, sondern
womöglich sie repräsentieren, selbst sein. Das ist katholisch,
eschatologisch gedacht. Das führt ihn zu den Fragen der Diktatur und
Repräsentation, wie sie in seinen letzten Schriften behandelt sind.
![](//photos1.blogger.com/blogger/7413/1958/200/flight.png)
Die
Tendenz zum Absoluten, die ihn charakterisiert, ist jedoch keineswegs
auf Abstrakta gerichtet, wie bei den großen Systembaumeistern des Barock
und der Aufklärung, sondern konkret eingestellt.
Sie führt auch in ihrer letzten Konsequenz nicht zu einer alles
bedingenden Abstraktion, heiße sie Gott, Form, Autorität oder sonstwie,
sondern zum Papste als der absoluten Person, der eine abermals konkrete
Welt irrationaler, der logischen Erfassung weiter nicht zugänglicher
Personen und Werte repräsentiert. Wie nur irgendein Kantianer geht
Schmitt von apriorischen Begriffen, eben von seiner Rechtsideologie aus.
Nur begnügt er sich nicht, diese seine Begriffe um ihrer selbst willen
zu definieren und miteinander in Beziehung zu setzen. Sein Verfahren ist
anders. Er sucht seine Rechtsbegriffe im gegebenen Staate und ferner in
der Tradition nach ihren letzten Zusammenhängen, nach ihrer
Vergesellschaftung mit allen anderen höheren Kategorien (Philosophie,
Kunst, Theologie) progressiv zu ermitteln.
![](//photos1.blogger.com/blogger/7413/1958/200/cvplakat-0.jpg)
Als
Soziologe, dem kein irgendwie belangvolles Detail des näheren oder
entfernteren Lebens entgeht, fragt er überall nach der wirklichen
Anwendung des Rechts, um so, den Tatsachen folgend, zu ihrer letzten
bestimmenden Form zu gelangen.
Er stellt keinen Idealstaat, keine Utopie auf; er läutet kein vorher
zurechtgeklügeltes systematisches Glockenspiel. Das Gefüge der letzten
Instanzen, das sich ihm schließlich enthüllt, ist ein Organismus, nicht
eine Maschine; ein freischwebendes Planetarium, nicht eine oktroyierte
Konstruktion. Die völlige Unsentimentalität dieses Werkes erweist sich
darin, daß keinerlei Gefühlswerte, nicht einmal die höchsten, als
Ausgangspunkt gelten. Die Moral beginnt mit gesicherten Rechsbegriffen;
diese freilich umschließen in ihrer Vernunft alle höheren irrationalen
Werte. Die Juristik, wie Schmitt sie interpretiert, ist die rationale
Präsenzform der Ideen.
III.
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Pag. 265 |
Vergleicht man Schmitts Werk mit dem seiner
Vorbilder, so tritt das unterscheidende Merkmal deutlich zutage. Bonald
und de Maistre sowohl wie Donoso Cortes gingen aus katholischen Nationen
hervor und aus einer Zeit, in der das ideologische Weltbild zwar in den
Grundfesten erschüttert, aber nicht zerbrochen und völlig verwüstet
war. Ihr Ausgangspunkt ist ein festes legales Gefüge, das bei Bonald und
de Maistre in der monarchistischen Restauration, bei Cortes in der
gegenreformatorischen Überlieferung seiner spanischen Heimat stark
lebendige Stützen findet. Der theologische Staat ist umstritten, aber
noch nicht zerstört; er erweist täglich noch seine vitale Kraft. Der
Gegensatz von Glaube und Wissen, in wie kritischen Formen immer,
beherrscht die Köpfe; hier aber und heute will der verlorene Glaube erst
wieder gefunden und erhoben werden. Die Scholastik und ihre
rationalistische Nachfolge vermochte Systeme zu bauen, die aus der
Allgegenwart eines Axioms geboren, alle Vielfalt der Argumente um eine
anerschütterte Achse gesammelt hielten. Seit die Verneinung indessen
auch in die Metaphysik eindrang, mit Proudhon und Bakunin, ist das
Zentrum der alten Legalität zertrümmert, und es gilt, die Einheit auf
neuen Wegen wiederzugewinnen. Der Verzicht auf die Autorität war das
Signum der letzten gepriesenen Philosophie unserer Zeit. Die Person
selbst ist dieser Philosophie zweifelhaft geworden, zweifelhaft der Sinn
und Wert irgendeines Bekennens. Omnipotent ist die Maschinerie; eine
dämonische Welt täuscht Leben und Ebenmaß vor, ohne auch nur eine Seele,
geschweige denn Geist oder gar eine Hieratik zu haben. Und so glossiert
das Genie, als Rebell oder Dandy gekleidet, den dumpfen Bankrott der
Kultur und empfindet sich als den Hort alles höheren Lebens.
![](//photos1.blogger.com/blogger/7413/1958/200/spiegelgasse.jpg)
In
seinem Interesse für den Komplex der Romantik opfert auch Schmitt
dieser Situation. Das Wesen des Genies reicht in die blinden,
antinomistischen, triebhaften Gründe der Natur ebenso wie in die
übervernünftige Sphäre der religiösen Welt. Die Loslösung von den Normen
einer erstarrten Sozietät gibt den illegalen Instinkten sogar eine
gewisse Vernunft.
Der Todfeind der Romantik, als der Schmitt sich gelegentlich erweist,
bekämpft in ihr die irrationale Gefahr seines eigenen schöpferischen
Fonds, dessen Klärung seine Schriften sämtlich gewidmet scheinen. Der
Charakter des Organischen, den diese Schriften zeigen, weist darauf hin.
Schmitt ist Theologe und römischer Katholik keineswegs bereits bei
seinem ersten Schritte. Sein Werk entfaltet sich unter Schmerzen nicht
nur technischer Natur, in einem bunten Nacheinander von grimmiger
Diatribe und objektiver Untersuchung, von definierendem Diktat und
kunstvoller Apologie. Die Resultate sind schrittweise errungen aus
Konsequenzen; ein Neben- und Übereinander der Stimmen begleitet die
Konzeption. Eine gewisse Aphoristik weist auf Vereinsamung hin, doch von
den Gefahren eines abseitigen Individualismus ist Schmitt durch eine
Welt getrennt. Die soziale Natur der Rechtsbegriffe sichert ihm eine
stete Verbundenheit mit der Norm, und so tritt klarer und schärfer mit
jedem Werk die Grundform hervor, nach der das System sich entfaltet. Der
irrationale Fond einer großen Persönlichkeit und ihrer Zeit wird aus
den Naturfesseln sowohl wie aus der Ekstase völlig in den Begriff
überführt.
IV.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhByc4lYEqHi6p8GAsGm2wURMHugnK-udZCaY5UxI5sD8mMj5curo2PqnMAE1xubecQ6JXDNgcoUeqAw9fzFQyJwG-0A0J8Ur3COpJenlAggVGNTNkzvGzyVCucHyHFktzgq6eRcA/s200/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_04.jpg) |
Pag. 266 |
„Politische Romantik” ist die erste Schrift, mit der
Schmitt vor einem Publikum von nicht nur Sachverständigen erschien. Eine
ungewöhnliche Formkraft unternimmt den Versuch, die pseudologia
phantastica der Romantik auf politische Normen zu reduzieren.
Eine allgemeine Vertauschung und Vermengung der Begriffe, eine
schrankenlose Promiskuität der Worte und Werte ist nicht nur für die
Romantik bezeichnend; sie ist seit der Romantik zum Allgemeingut der
Gebildeten geworden. Eine mystisch-ästhetisch-spiritualistische
Gesinnung grassiert, die Tröltsch noch im Jahre 1912 als die heimliche
Religion der Gebildeten des modernen protestantischen Deutschland
bezeichnen konnte. Schmitts Denkart ist im Gegensatz dazu sehr aufs
Unheimliche, Publizistische gerichtet. Er vermag dem allgemeinen
Nebelwesen wenig Reiz abzugewinnen. Dort die Ausflucht in allen Formen,
hier der strikte Wille zur Überwindung. Dort alle Symptome einer
Willenserkrankung, hier eine einschneidende, inquisitorische
Intelligenz. Ein Jurist, der Grammatik dozieren könnte, räumt mit den
Wirrnissen eines verstiegenen Geniekults auf. Der romantische Proteus
gerät in eine Zwangsjacke der Logik. Die romantischen Sprachsurrogate
empfangen eine Artikulation, die kaum zu überbieten ist.
![](//photos1.blogger.com/blogger/7413/1958/200/eh-hb.jpg) |
Con Emmy Hennings |
Das Thema erscheint begrenzt. Nicht der Romantik
überhaupt, sondern der politischen Romantik gilt das Pamphlet. Und
eigentlich auch nur der deutschen Romantik, und zuletzt nur noch Adam
Müller. Um einen Hasen zu jagen, so konnte es scheinen, wird eine ganze
Provinz abgesperrt. Auch könnte man finden, Schmitt spreche von etwas,
das es gar nicht gibt. Gerade darin aber triumphiert seine
Überlegenheit, dieses imagimärste aller Themata logisch einzufangen, mit
einer enormen Kunst der Definition, der Unterscheidung, der
methodischen Register. Und da ergibt sich, daß Adam Müller vielleicht
der künstlichste und spezifischste Vertreter dessen ist, was man die
Politik oder Theologie der Romantik zu nennen pflegt. Er verwendet
philosophische, ästhetische, politische und theologische Argumente in
großer Zahl und in einer Weise, die alle einzelnen Disziplinen mit
Ausnahme der Rhetorik kompromittiert. Von den Betroffenen interessieren
Schmitt zumeist die politisch-theologischen Konstrukteure jener Zeit,
die katholischen Staatstheologen der Restauration. Nietzsche bei Beginn
seiner Karriere griff sich den „Bildungsphilister" David Strauß, in dem
er die kritizistische Plattitüde seiner Zeit abschlachtete. Schmitt
greift sich den „Staatstheologen" Adam Müller, in dem er die genialische
Hypokrisie des Liberalismus zu Tode hetzt. Die Stringenz des Stils aber
ist es nicht allein, was diese Broschüre inmitten der Verschwommenheit
einer neuteutschen Literatur zu einem Unikum macht.
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Pag. 267 |
Über das romantische Thema weit hinaus interessiert
die persönliche Fragestellung des Verfassers, der ideengeschichtliche
Aufriß, den er gibt, die Prospekte, die er in Bewegung setzt, der
Abgrund, in den die romantische Herrlichkeit klirrend versinkt. Adam
Müller, den man vor kurzem noch einen einsamen politischen Denker
nannte, löst sich wie eine Seifenblase in bunten Schein auf. Der Windzug
aber, der dies bewirkt, deutet auf eine Gewitterwolke. Die
„Unvereinbarkeit der Romantik mit irgendeinem moralischen, rechtlichen
oder politischen Maßstab“ mag keine neue Entdeckung sein; vielleicht ist
sie es doch. Der Maßstab selbst aber, den Schmitt anlegt, ist in seinen
Bestandteilen durchaus neu und von höchstem Interesse. Die politischen
Angriffspunkte, die die Romantik bietet, führen nach rückwärts bis zu
Malebranche und Descartes, nach vorwärts bis in die Gegenwart. Die
Erfassung dieses beträchtlichen Komplexes muß über die innere
Physiognomie des 18., 19. Und des beginnenden 20. Jahrhunderts die
wichtigsten Aufschlüsse bieten.
V.
![](//photos1.blogger.com/blogger/7413/1958/200/hennings.jpg)
Die
Romantiker, sagt Schmitt, versprachen eine neue Religion, ein neues
Evangelium, eine neue Genialität. Von ihren Manifestationen in der
gewöhnlichen Wirklichkeit aber gehörte kaum etwas vor ein Forum
externum. Adam Müller insonderheit will das gescheiterte Unternehmen der
französischen Revolution wieder aufnehmen und zu Ende führen, den
Worten Religion, Philosophie, Natur und Kunst einen neuen Inhalt geben.
Die Schranken der bisherigen mechanischen Zeit sollen gesprengt, die
weltfremden Spekulationen der geistigen Revolution auf den Boden der
Wirklichkeit verpflanzt werden.
Müller bezieht sich dabei auf Burke, Bonald und Maistre, die gegen die
französische Revolution in originaler Weise Partei ergriffen. Er selbst
findet indessen kein unmittelbares moralisches, sondern nur ein
sensualistisches Pathos. Sein Buch über die „Notwendigkeit einer
theologischen Grundlage der gesamten Staatswissenschaften“ gelangt über
die Kunstfiguren einer leeren Oratorik, über ein Spiel mit fremdem
Eigentum, über eine lyrische Staatsphilosophie nicht hinaus. Die
wichtigste Quelle politischer Vitalität, der Glaube an das Recht und die
Empörung über ein Unrecht, existiert für ihn nicht. In seiner
ästhetischen Einstellung, wie in der willkürlichen und normwidrigen Art
zu argumentieren, liegt „der Unterschied von allem politischen
Irrationalismus, der in seinen Grundlagen mystischen oder religiösen
Ursprungs ist, und bei dem das Gewebe von Beweisgründen, auf die auch er
nicht verzichten kann, Emanation politischer Aktivität ist“.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjWQmw41RrRxD3zORUXr3AKZSOKx4iP2WaiqCis5s74i3_g8mQkMlSPZbhY06NOtav4OhyIllIngy2TOK4bMJsS8f7tpjm5bNE6gT9KMn1ot8kGavHn866iX6jcwE8GBeZ5IAfAkA/s200/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_06.jpg) |
Pag. 268 |
Politischer Irrationalismus: da hat man das für die
Romantik und auch für Schmitt entscheidende Wort. Mit Descartes beginnt
die Erschütterung des alten ontologischen Denkens und die Verweisung der
Realität an einen subjektiven und internen Vorgang, an das Denken,
statt an die Gegenstände der Außenwelt. Die moderne Philosophie ist von
einem Zwiespalt zwischen Denken und Sein, Begriff und Wirklichkeit,
Geist und Natur, Subjekt und Objekt beherrscht, den auch die
transzendente Lösung Kants nicht behoben hat; „sie gab dem denkenden
Geist die Reälität der Außenwelt nicht wieder, weil für sie die
Objektivität des Denkens darin besteht, Daß es sich in objektiv gültigen
Formen bewegt und das Wesen der empirischen Wirklichkeit, das Ding an
sich, gar nicht erfaßt werden soll“. Bald im subjektiven Denken, bald
in der empirischen Wirklichkeit wird von nun an die Irrationalität, die
Unerklärlichkeit, das Geheimnis des Daseins gesucht. Von dieser
human-materiellen Herabstimmung des alten theologischen Problems datiert
alle Verwirrung. Fichte sucht den Zwiespalt durch ein absolutes Ich zu
beseitigen, die Romantik will denselben Konflikt durch die gemachte und
bewußte Heteronomie des Genies beheben. „Die höchste und sicherste
Realität der alten Metaphysik", sagt Schmitt, „der transzendente Gott,
war beseitigt. Wichtiger aber als der Streit der Philosophen war die
Frage, wer seine Funktionen als höchste und sicherste Realität und damit
als Legitimationspunkt in der historischen Wirklichkeit übernahm“. Zwei
neue, diesseitige Realitäten treten auf und setzen eine neue Ontologie
durch. Völlig irrational, wenn man sie mit der Logik des achtzehnten
Jahrhunderts betrachtet, aber objektiv und evident in ihrer
Überindividuellen Geltung, beherrschen sie in realitate das Denken der
Menschheit als die beiden neuen Demiurgen. Der eine, der revolutionäre
Demiurg, ist die Gemeinschaft, deren verschiedene Gestalten als Volk,
Gesellschaft, Menschheit wirksam werden. Seine Allmacht wurde im Contrat
social von Rousseau proklamiert. Der andere, konservative Demiurg ist
die Geschichte. Die Romantik sucht den Demiurgen irrationale Bedeutung
abzugewinnen.
![](//photos1.blogger.com/blogger/7413/1958/200/emmyandhugo-1.jpg)
Mit
unbegrenzten Versprechungen einer neuen Schöpfung war sie aufgetreten,
mit ungeheuren Möglichkeiten, die sie der Wirksamkeit jener zwei neuen
Realitäten entgegenzusetzen gedachte.
Der Romantiker sucht die Rolle des weltproduzierenden Ich zu behaupten;
er gerät jedoch in Widersprüche, die aus dem Vorhandensein zweier von
seinem Willen unabhängigen und seinem Subjekt überlegenen Realitäten
entstehen. Er beginnt die nichtobjektivierte Möglichkeit als die höhere
Kategorie auszuspielen; sucht aller rationalen Argumente sich zu
entschlagen. In einer Flucht von Antithesen schafft er sich unermüdlich
ein neues Alibi. Man will die Irrationalität der Person retten, auch die
Irrationalität der Zeit, verfällt aber hier einem sentimentalen
Pointilismus des Augenblicks, und dort den Illusionen einer erträumten
Primitivität. Bald ist es der einfache Landmann, bald das
„indeterminierte Kind“, bald das paradiesische Idyll der Natur, die zu
Trägern des Numinosen werden. Erst in der Kirche, nach dem Verzicht auf
alle Subjektivität, findet der Romantiker, was er sucht: »eine große
irrationale Gemeinschaft, eine weltgeschichtliche Tradition und den
persönlichen Gott der alten Metaphysik«. Damit aber hörte man auf,
Romantiker zu sein.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjBgiKaLO_t-mTPK2B9GzMNheQhYXA-wyjioKI6Iy7Ug_H0PluYytZCoWfv7YnjyyRKdlaKcJqcuE5qOHYZ7w18QCzR81EmdNtbVlfLQTfjzWHT_wi0xJqed5z8HkuvEVrGR92rPw/s200/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_07.jpg) |
Pag. 269 |
Der Versuch, die rationale Mechanik der Zeit zu
sprengen, mißlang aus zwei Gründen. Einmal weil die Romantik auf die
entscheidende Stellungnahme im Kampf der Meinungen verzichtete, sodann
weil sie glaubte, die Weltschöpferrolle auch gegen die Wirklichkeit
behaupten zu können. Und so lautet das Endurteil: Kein Argument hilft
darüber hinweg, „daß einer, der argumentiert, sich eines rationalen und
nicht eines irrationalen Vermögens bedient. Mochte auch von
intellektueller Anschauung, von genialem Aufschwung, oder irgendeinem
ändern intuitiven Vorgang gesprochen werden, mittels dessen besondere,
dem bloßen Verstande nicht zugängliche Einsichten gewonnen werden
sollten: solange ein philosophisches System prätendiert wurde, war der
Widerspruch innerhalb des Systems nicht zu überwinden; solange aber more
romantico Fragmente und Aphorismen die Resultate der intuitiven
Tätigkeit vermitteln sollten, lag nur ein Appell an die gleichgesinnte
Tätigkeit gleichgesinnter Seelen, also nur die romantische Gemeinschaft
vor. Das Ziel alles philosophischen Bemühens, das Irrationale
philosophisch zu erreichen, war nicht erreicht; in einer besonderen Form
hatte die neue Realität, die societas, den Romantiker überwunden und
gezwungen, an sie zu appellieren“.
VI.
![](//photos1.blogger.com/blogger/7413/1958/200/7502398%2Ctid%3Di.jpg)
Ich
möchte gleich hier den Zusammenhang mit der „Politischen Theologie“ von
1922 aufzeigen. Die beiden Bücher verhalten sich zueinander wie etwa
die „Kritik der reinen Vernunft“ sich zur „Kritik der praktischen
Vernunft“ verhält, und nicht nur, weil der Titel Kongruenzen aufweisen.
Letzten Endes war die ganze Untersuchung in „Politische Romantik“
unternommen, um die großen politischen Theologen Burke, Bonald und de
Maistre vor einer ferneren Verwechslung mit Talmipolitikern und
Adapteuren wie Adam Müller und Fr. Schlegel zu schützen.
Im vierten Kapitel der »Politischen Theologie« knüpft Schmitt
ausdrücklich an Resultate des Romantikbuches wieder an, und zwar
behandelt er nun ergänzend die Systeme der Bonald, de Maistre und Donoso
Cortes. Von den beiden ersteren war bereits in „Politische Romantik“
vielfach die Rede, wo es galt, ihr besonderes, die Romantik
desavouierendes Verhalten zum Problem der Realität hervorzukehren. An
den Experimenten der Romantik dagegen war gezeigt, wie man es nicht
machen darf, wenn man das Irrationale, die Freiheit, das Numinose
sichern und repräsentieren will. Die Kirche erschien als die einzige
Lösung der romantischen Versuche. Die „Politische Theologie“ ist also
die Konsequenz des Weges, den die Romantik selbst einschlug. Die
juristischen Definitionen dieses Buches, auf die ich noch zurückkomme,
dienen der Lösung jener Konflikte, an deren Widersprüchen die Romantik
scheiterte; und die katholischen Staatstheologen, deren Leistung nunmehr
erörtert wird, verhalten sich zu den politischen Romantikern, wie sich
das praktische Beispiel einer Verwirklichung zum theoretischen, aber
mißlungenen Versuch verhält.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg6WyM7D6riM4SEZjq8Yav72cL75hyphenhyphent-_mCF4a-C5h3N2JB-fTMEj996i07i1S0iLmxthsmxaZTfz8ll9emKzZv13rKPy_TnhQy0lXED8q2pelvsbx3o22IrFY-fZVdmo-IKs37wQ/s320/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_08.jpg) |
Pag. 270 |
Das sind thematische Vergleichspunkte. Was die beiden
Schriften dialektisch verbindet, ist folgendes: Bei der Analyse der
romantischen Realitätsbegriffe ergab sich die eminente Wichtigkeit des
Begriffs der Entscheidung. Romantiker sind Leute, die sich im
Tatsachenbereich nicht entscheiden wollen, ja die aus der
Unentschiedenheit eine Philosophie des Irrrationalen machen. Jene
katholischen Staatstheologen dagegen, „die man in Deutschland Romantiker
nennt, weil sie konservativ oder reaktionär waren und mittelakerliche
Zustände idealisierten“, de Maistre, Bonald, Donoso Cortes, bauen ihre
Systeme geradezu auf dem Begriff der Entscheidung auf, und wer weiß, die
Entscheidung enthält vielleicht das Problem der Form überhaupt. Den
deutschen Romantikern ist eine originelle Vorstellung eigentümlich: das
ewige Gespräch. Überall dagegen, wo die katholische Philosophie des
neunzehnten Jahrhunderts sich in geistiger Aktivität äußert, „spricht
sie in irgendeiner Form den Gedanken aus, daß eine große Alternative
sich aufdrängt, die keine Vermittlung mehr zuläßt. Alle formulieren ein
großes Entweder-Oder, dessen Rigorosität eher nach Diktatur klingt, als
nach einem ewigen Gespräch“.
![](//photos1.blogger.com/blogger/7413/1958/200/1.whatisdada.jpg)
Bonald,
der Begründer des Traditionalismus, ist weit entfernt von der Idee
eines ewigen, sich von selbst entwickelnden Werdens. Niemals wird bei
ihm der Glaube an die Tradition etwas wie Schellings Naturphilosophie,
Adam Müllers Mischung der Gegensätze oder Hegels Geschichtsglaube. Die
Menschheit ist ihm eine Herde von Blinden, geführt von einem Blinden,
der sich an einem Stocke weitertastet; die Tradition bietet die einzige
Möglichkeit, denjenigen Inhalt zu finden, den der metaphysische Glaube
des Menschen akzeptieren kann.
Die Antithesen und Distinktionen, die ihm den Namen eines Scholastikers
eintrugen, stellen moralische Disjunktionen dar, keineswegs Polaritäten
der Schellingschen Naturphilosophie, die einen „Indifferenzpunkt"
haben, oder bloße dialektische Negationen des Geschichtsprozesses. Er
fühlt sich stets zwischen zwei Abgründen, zwischen dem Wesen und dem
Nichts. Das aber sind die Gegensätze von Gut und Böse, Gott und Teufel,
zwischen denen (nach Schmitt), „auf Leben und Tod ein Entweder-Oder
besteht“. — Für de Maistre liegt der Wert der Kirche darin, daß sie
letzte inappellable Entscheidung ist. Die Worte Unfehlbarkeit und
Souveränität sind ihm „parfaitement synonymes“. Er erklärt die Obrigkeit
für gut, wenn sie nur besteht; wesentlich ist, daß keine höhere Instanz
die Entscheidung überprüft. — Bei Cortes vollends ist das typische Bild
die Entscheidungsschlacht, die zwischen dem Katholizismus und dem
atheistischen Sozialismus entbrannt ist. Es liegt nach Cortes im Wesen
des bürgerlichen Liberalismus, sich in diesem Kampf nicht zu
entscheiden, sondern statt dessen eine Diskussion anzuknüpfen. Cortes
definiert die Bourgeoisie (Schmitt: die Romantik) geradezu als eine
„diskutierende Klasse“, una clasa discutidora. „Damit ist sie
gerichtet“, fügt der Interpret hinzu, und man versteht jetzt, weshalb er
sich in „Politische Romantik“ die Eruierung der
romantisch-liberalistischen Philosophie so angelegen sein ließ.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi45hb6GYK1ZKj1wYDu-o5cpcHfFLB-Vflg7aUevoTb6XAnijxm16Ej7c53AT6ewzHVXA1bVtMIpM6zxAHEqEtcAqJO2Uv-s1KiORluWbFy7M4gA0yCmfWVTw4OjwVNOEP9RRVmCw/s200/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_09.jpg) |
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Gibt es überhaupt eine Wirklichkeit ohne
Entscheidung? Ist die Wirklichkeit anders zu erfassen als durch Analyse
und Urteil? Der Romantiker hatte die Selbstbespiegelung an Stelle der
Objektivierung gesetzt. Weder Kosmos, Glaube, Volk, Geschichte
interessierten ihn um ihrer selbst willen. Der Staat als romantisches
Objekt, das entspricht der romantisch-liberalistischen Ansicht der
Dinge. Gleichwohl vermag auch der zerblasenste Romantiker die
Entscheidung nicht zu umgehen. Vor die Alternative gestellt, muß auch er
sich entscheiden. Er entscheidet sich für das »höhere Dritte«, für eine
Synthese, die beide Gegensatzglieder anerkennt und sie in einer
fingierten Überlegenheit zu einem Kompromiß führt. Es ist die
furchtbare, durch Hegel populär gewordene Methode des Kompromisses von
Gut und Böse, von Ja und Nein, die zum Grundübel des neunzehnten
Jahr-hunderts wurde; eine Methode, von der Ernest Hello in seinem
großmütigen Buche „Philosophie et Atheisme“ folgendermaßen sprach? „Si,
en effet, l’affirmation et la négation sont identiques, toutes les
doctrines deviennent égales et indifferentes. Voilà l’erreur radicale,
fondamentale, immense de ce siêcle-ci; voilà la negation mêre; voilà ce
doute absolu, qui est l’absence même de philosophie, érigé en
philosophie absolue“.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjFCWA40Xrr8RuULfJy2YWwlA_GNGV7jIVSjFCT_ybme0_aYTSnyNMbwvvNHHsL-EiFdkdD8pTU1a8Mr5XZOPVKKr_OLGAHDX6N4NkdZhZ41QvBU5F0KzUCljZQ0jGmy_SRBL4-WA/s320/Illustrazione+Hochland.jpg) |
Hochland Pag. 272 bis |
In II, 2 der „Politischen Romantik“ geht Schmitt der
metaphysischen Herkunft dieser „synthetischen“ Entscheidungsform nach
und gelangt so zur Feststellung der »okkasionalistischen Struktur« der
Romantik. Descartes ist die oberste Instanz dieser Denkart. Von dem
Argument ausgehend, daß ich bin, weil ich denke, unterschied er Innen
und Außen, Seele und Leib, res cogitans und res externa. Daraus ergab
sich die Aufgabe, den Gegensatz in Einklang zu bringen, oder die
Wechselwirkung von Leib und Seele zu erklären.
Die okkasionalistische Lösung, die in den Systemen von Geraud de
Cordemoy, Geulinx und Malebranche unternommen wurde, bestand im
wesentlichen darin, daß Gott als der höhere Dritte die Synthese der
seelischen und körperlichen Äußerungen darstellt: alle irdische,
endliche Wirklichkeit ist nur eine Okkasion, ein Anlaß für die allein
wesentliche göttliche Wirksamkeit. In der Romantik nun tritt an Stelle
Gottes das geniale Subjekt, das die äußere Welt analog als Okkasion
seiner überlegenen synthetischen Produktivität auffaßt. Der Gegensatz
der Geschlechter wird aufgehoben im „Gesamtmenschen“; der Gegensatz der
Parteien und Individuen im „höheren“ Organismus, im Staate oder im Volk;
der Zwiespalt der Staaten in der höheren Organisation, der Kirche. Was
die Kraft hat, den Gegensatz nicht zu lösen, sondern zu lahmen, gilt als
die wahre und höhere Realität. So beginnt Adam Müller mit einer Lehre
vom Gegensatz, die eine absolute Identität ausdrücklich ablehnt und als
letztes Prinzip eine Art „antitherischer Synthese“, ; eben den Gegensatz
proklamiert. Schlegel stellte Malebranche noch über Descartes, Müller
folgte ihm darin und Novalis erwähnt den Okkasionalismus häufig in
seinen Fragmenten. Das Ziel war, über den toten, mechanischen
Rationalismus des achtzehnten Jahrhunderts hinwegzukommen. Die
politische und kulturelle Gefahr dieser Philosophie aber setzte dort
ein, wo man begann, auch den Gegensatz von Legitimismus und Liberalismus
nur durch Gott schlichten zu lassen, statt Partei zu nehmen. Da das
Wesen der Dinge immer in einer anderen Sphäre gesucht wird, als der sie
angehören, gerät die Spekulation in ein stetiges Voltigieren von einem
Gebiet auf das andere. Das Schlimmste dabei ist, daß der Romantiker sich
die Identität mit dem Schöpfer vorbehält; ohne sie auszuhalten. Eine
fatale Abneigung gegen alle persönliche Aktivität führt zu einer
Theologie, in der die Persönlichkeit Gottes selbst aufgehoben, und zu
einer Politik, in der die Überzeugung gleichgültig ist.
VII.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh4_NWozT8XGSxLeqIpSZHlnTo6ugAoRJgnL7ydFiFoTbmWlwWV4FFu-5RZ_yVv0qVCpP-zdaISE0u8XvOycuFVasopoE454emg-gF2CkW0K2ALOLoSq6kOH4L-_W_4c1o0qCJEhg/s200/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_10.jpg) |
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Der künstliche Irrationalismus der Romantik steht im
Widerspruche zur Wirklichkeit; diese letztere aber ist nach Schmitts
klarer Lehre identisch mit der Entscheidung. Wie verhält sich nun eben
die Entscheidung, die Wirklichkeit, zur nicht fingierten, sondern wahren
Irrationalität? Wie verhält sich die Jurisprudenz zur höchsten Instanz?
Indem Schmitt die beiden neuen Realitäten (Gemeinschaft und Geschichte)
für Demiurgen erklärt, stempelt er sie zu blinden, unvernünftigen,
eitlen Schöpfern, zu dämonischen Größen. Ihre Herrschaft beruht, wenn
man das Wort im gnostischen Sinne nimmt, in einer Vermengung von
übersinnlichen und materiellen Gewalten; in einem finsteren Trug, der in
seinen Auswirkungen zu Katastrophen führen muß und geführt hat. Auch
Schmitt folgt bei der Ermittlung des Irrationalen den Entwicklungen der
Gemeinschaft und der Geschichte, aber sie dienen ihm nur als Substrat
der Entscheidung. Weit entfernt, an eine Vernunft der materiellen
Geschichtsprozesse, oder gar an eine immanente Entwicklung zu immer
höheren Formen zu glauben, vermag er weder dem Hegelschen Weltgeist,
noch den marxistischen Wirtschaftsgesetzen einen sonderlichen Respekt
entgegenzubringen; er sieht in derlei Geschichts- und
Gesellschaftsdoktrinen nur Häresien, die nicht aufhören, ihrerseits
Objekte einer entwicklungsgeschichtlichen Betrachtung zu bleiben. Der
Mensch als „Instrument der im dialektischen Prozeß sich entwickelnden
Vernunft“ ist nicht seine Sache. Er sucht die metaphysische Freiheit,
die mit der metaphysischen Realität identisch ist.
![](//photos1.blogger.com/blogger/7413/1958/200/4.%20250px-Dada1.jpg)
In
seinem Buche „Die Diktatur“ (1921), das den politischen Begriff der
ratio entwickelt, vermag er so wenig an eine im Geschichtsverlauf
hervortretende kontinuierliche Vernunft zu glauben,
daß er die französische Revolution vor der englischen, und den pouvoir
constituant vor der Diktatur Cromwells behandelt. Und noch
entscheidender: diese mit Vernunftkategorien kaum zu erfassende
Cromwellsche Diktatur erscheint ihm, allen rationalistischen Systemen
zum Trotz, als die höhere, eigentliche Vernunft. Um die gottgewollte
Abhängigkeit von den Tatsachen ist es in diesem Systeme schlecht
bestellt. Eher scheint darin ein spontanes Hervortreten des Göttlichen
im Chaos der Geschichte, scheint das politische Wunder gelehrt zu
werden: die Durchbrechung der Naturgesetze durch die souveräne Person.
Das führt zum Gegensätze von ratio und irrational, der in den
verschiedensten Formen Schmitts Werk beherrscht.
VIII.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhh9tOCOtr6JFt8nLpXGHcRYkAi2mLa4FZRW-27UZszBwQ3lYwDd-o36C1_GbCryorStPTRJ3nqxOPLxXlQ47f1XxLsOQ2qpfPYPBGz85eQbUxnL_BXNOYCVakEbm-e7THP6XxD4Q/s200/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_11.jpg) |
Pag. 273 |
Diese Antithese hat in neuplatonischer Zeit zuerst
jene grundlegende Erörterung erfahren, die die kirchliche Auffassung von
der antiken in wichtigen Punkten trennt. Vernunft und Unvernunft sind
bei Proklus und Dionysius Areopagita nahezu identisch mit dem Gegensätze
von Gut und Böse, Gott und Dämon, Schöpfer und Demiurg. Gut ist die
hohe Vernunft; übel ist, was der Vernunft widerstreitet: das Geistlose,
Ungeordnete, das Verharren im Materiellen; ein distanzloses
Sichverhalten zur Zeit und Umgebung. Dem Begriffe „malum“ haftet
indessen in jener eschatologisch orientierten Zeit keinerlei
verdammende, moralistische Bewertung an. Das „Übel“ ist nur ein minderer
Zustand der Natur, ein Defekt, ein Mangel an Einsicht, Kraft,
Aufschwung; eine Verwirrung des Willens, ein Nochbewegtsein von
physischen Leidenschaften. So ist der Gegensatz von ratio und irrational
in jener frühen Zeit auch der Gegensatz von Ruhe und Bewegung, von
Dauer und Zeit, von Unsterblichkeit und Tod, von absolut und bedingt. In
dieser Gestalt geht die Antithese von Dionysius zu Thomas von Aquin und
Albertus Magnus über. Aber schon in vorscholastischer Zeit scheint in
der Praxis, wenn auch nicht in der Theorie, die moralistische
Interpretation des Begriffes vom Übel gesiegt zu haben. (Einwirkung der
augustinischen Tradition.) Während man nach orientalischer Auffassung
böse war, wenn man an den Tod glaubte, statt an Christus, ist man nach
neuerer Auffassung böse, wenn man sich den Diktaten eines längst nicht
mehr kirchlichen Rationalismus entzieht.
![](//photos1.blogger.com/blogger/7413/1958/200/7.MachineGunnersAdvancing.JPG.jpg)
Die
klassischen Staatsphilosophen von Macchiavelli und Hobbes bis zu de
Maistre und Cortes sehen im nichtrepräsentierten Volk noch immer mit den
Augen eines Thomas von Aquin ein irrationales Wesen, das durch die
ratio beherrscht und von ihr geführt werden muß; nur eben machten sie
die Antithese auch dann noch geltend, als die ratio der Herrscher und
Verfassungen längst von Privatinteressen der regierenden Häuser und
Klassen geleitet war. Es ist aus zweierlei Gründen wichtig, dies zu
betonen.
Einmal weil sich leicht dartun ließe, daß mit der moralistischen
Vergröberung des Begriffes malum auch die Höhe der Vernunftdiktatur und
der ratio selbst sank; sodann weil für Schmitt im Anschlusse an Cortes
die Antithese eine dogmatisch und auch politisch nicht unbedenkliche
Schärfe gewinnt. Die Überzeugung, daß der Mensch von Natur böse,
verworfen, Bestie, Pöbel ist (statt hinfällig, unwissend, schwach und
emanzipationsbedürftig), diese Auffassung gilt dem konstruierenden
Staatskünstler der Renaissance und des anschließenden Absolutismus als
Begründung dafür, daß er die zu organisierende Menschenmenge als ein zu
bevormundendes, bösartiges Material ansieht, dem gegenüber alle Mittel
erlaubt sind. Und umgekehrt antwortete die innerstaatliche Opposition
damit, daß sie die prätendierte Diktatur der rationalistischen
Staatshäupter und Verfassungen erbittert bekämpft und vice versa dem
Volk eine instinktive Güte, Vernunft, Ordnung, und schließlich das Recht
zur eigenen Diktatur erteilt.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjjWoizgBw-ZxOrdbsYpA-_FEnqRf6YHEpmktL9vxjPGu-jwX1qZSSzKhVnVyB_G4tKnJwl5q58sYGDYmwIyfRSJDZEdux01amlRejDu9ph1YI5fpMljJXRSD3A4IsAmLfQ2Rmuiw/s200/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_12.jpg) |
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Schmitts Auffassung ist die lateinische. Noch
entschiedener wie Donald und de Maistre trennt er die „irrationalen“
Elemente (Nation und Geschichte) von der Vernunft. Er richtet sich
sogar gegen den quasirationalistischen Staat, gegen den aufgeklärten
Legalismus, den er seines Abfalls von der theologischen Autorität wegen,
als Ausnahmezustand definiert. Nur in einem Punkte bleibt er befangen:
die moralistischen Thesen über die Natur des Menschen (ob von Natur
böse, oder von Natur gut) werden ihm in all ihrem fragwürdigen Extrem
zum Kriterium einer ihm begegnenden Staatslehre. Halten Mably, Rousseau
und die Anarchisten von Babeuf bis Krapotkin den Menschen, das Volk, das
Proletariat und sogar das „Lumpenproletariat“ für natürlich gut, ja für
das Heil der Welt, und sind sie deshalb Irrarionalisten, so erklären
alle rationalen Geister, und besonders die katholischen
Staatsphilosophen, den Menschen mit steigender Heftigkeit für blind,
konfus, verworfen und verächtlich. Gegen Schluß der „Politischen
Theologie”, wo Schmitt die gegenrevolutionäre Idee des Donoso Cortes
entwickelt, tritt der Gegensatz der Axiome im Gegensatz von Cortes und
Proudhon in flagranter weise hervor. Die Opposition hat den Satanismus
auf ihre Fahne geschrieben; sie kämpft mit der These „der Mensch ist
gut“ für die Zerstörung der Ideologie. Die Ideologen, und Cortes
insonderheit, kämpfen mit dem Axiom „der Mensch ist schlimmer als ein
Reptil“ unter der Fahne Gottes für die Metaphysik.
![](//photos1.blogger.com/blogger/7413/1958/200/9.3I01520.jpg)
Die Lehre von der Verworfenheit des Menschen kann in der apodiktischen Form, in der Cortes sie vertritt, kaum überboten werden.
Seine Verachtung der Menschen kennt keine Grenzen mehr; ihr blinder
Verstand, ihr schwächlicher Wille, der lächerliche Clan ihrer
fleischlichen Begierden scheinen ihm so erbärmlich, daß alle Worte aller
menschlichen Sprachen niAt ausreichen, um die ganze Niedrigkeit dieser
Kreatur auszudrücken. Schmitt betont zwar, und dies gilt auch pro domo,
daß Cortes hier nicht δογματικως, sondern αντιθετικως; verstanden sein
will, aus der Konsequenz seines Widerstandes gegen die Zeit. Aber er
gibt zu, daß der legale Despotismus die Erbitterung der Opposition erst
hervorruft. Er erwähnt auch die konziliantere Auffassung des
Tridentinums, (der eine emanzipierende, nicht eine zerschmetternde
Politik entsprechen würde). Wenn der Verfasser aber in seinen späteren
Schriften die Überzeugung von der natürlichen Güte des Menschen kurzweg
als eine „anarchistische Lehre“ behandelt, ist dies eine Abkürzung, die
der formalen Strenge ein Stück von der milderen Wahrheit opfert. Er
vermag nunmehr auch anarchistisch und irrational zu identifizieren.
Dostojewskys Naturheilige bekommen einen Dynamitgeruch und Sorels
irrationaler Reformvorschlag erscheint, der kirchlichen ratio gegenüber,
lächerlich.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEioj8SleNaICyvD6wN4lEYL7GxhvC0EzRRPpypdxU8Kor0rjYC1k96Mt9vjt5oNVcx4UVgyVkpxe2Sa7K9HjIShgS1Sqj3q4J5msxBP1p25OSnQ74DCnEEUzOZ1b0RxnKM_KsOWTw/s200/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_13.jpg) |
Pag. 275 |
Die Auseinandersetzung mit Sorel (in „Römischer
Katholizismus und Politische Form“) nimmt einen für Schmitts knappe Maße
beträchtlichen Raum ein. Georges Sorel wollte in einer neuen
Verbindung der Kirche mit dem „Irrationalismus“ die Krise des
katholischen Gedankens sehen. Als „irrational“ gilt hier wieder das
Volk, und zwar das Volk der Syndikate, das rebellische Proletariat, dem
Sorel eine „force creatrice“ zuschreibt. Man könnte nach Cortes und
Schmitt der Kirche ebenso gut ein Bündnis mit dem Teufel selbst
vorschlagen. Schmitts Darlegungen an der betreffenden Stelle sind sehr
erhellend. Er räumt ein, daß im 19. Jahrhundert alle möglichen Arten
einer Opposition gegen Aufklärung und Rationalismus die Kirche neu
beleben. Er erwähnt die Konvertiten aus traditionalistischen,
mystizistischen und romantischen Tendenzen; auch eine gewisse
innerkirchliche Unzufriedenheit mit der hergebrachten Apologetik, die
von manchen als Scheinargumemation empfunden werde. Eine wesentliche
Bedeutung vermag er indessen der irrationalen Opposition nicht
zuzugestehen, weil die Vertreter dieser Bewegung vom
naturwissenschaftlichen Rationalismus ausgehen und übersehen, daß der
katholischen Argumentation eine besondere an der normativen Leitung des
sozialen Lebens interessierte, mit spezifisch juristischer Logik
demonstrierende Denkweise zugrunde liegt. Der Irrationalismus mag den
abstrakten Staat und das mechanistische Weltbild, er mag die
„mathematische Mythologie“ bekämpfen; die kirchliche ratio wird davon
nicht berührt.
IX.
![](//photos1.blogger.com/x/blogger/7413/1958/200/133773/11.Tristan_Tzara.jpg)
Das
Irrationale aber kann beide Bedeutungen haben: unvernünftig und
übervernünftig. Im Staate bezieht sich der Gegensatz von ratio und
irrational stets auf die Ordnung einer unberechenbaren und deshalb mit
großer Vorsicht zu behandelnden Staatsmaterie, auf die Masse des Volkes,
die ihrer Art von Eingebungen, nämlich spontanen Willensimpulsen von
meist materieller Herkunft und Absicht unterliegt.
In der Theologie deutet der Gegensatz auf das Verhältnis des Legalen
und Institutionellen zu den Eingebungen einer überlegenen,
schöpferischen, geistigen Art, auf das Verhältnis zum Numinosen, zum
Heiligen und Wunderbaren, zur Offenbarung. Die gnostischen und
neuplatonischen Systeme kennen mancherlei Vermittlungsstufen, die den
übervernünftigen Urgrund mit den rationalen Kategorien, den Stufen der
Hierarchie verbinden. Bei Dionysius Areopagita ist Gott die Ursonne, die
alle Stufenreihen der Wesen bis herab zu den materiellsten nicht
verpflichtend und logisch, sondern liebend und irrational in ihren
Bannkreis zieht, um sie zu durchdringen. Die Engel, die das „Gesetz“
dieser Durchdringung verkünden, die also die ratio der Gebote geben,
stehen in einem deduzierenden Verhältnis, in einer Distanz zum Urgrund,
und auch sonst ist in diesem theologisch-philosophischen System, das die
Scholastik und überhaupt das mittelalterliche Denken unabsehbar
beeinflußt hat, das Heiligenreich in der Ekstase, das heißt
übervernünftig, irrational begründet. Die inspirierte und offenbarende,
die sakramentale und kanonische Welt, die Kirche eben und gerade auch
ihre hierarchische Konstitution stellen einen übernatürlichen und
übervernünftigen Organismus dar. Rational wird diese Welt mir in der
Interpretation; in ihrem Verhältnis zum zeitlichen, materiellen Status,
der der Vernunft entbehrt. Das sacrificium intellectus, das die Kirche
ihren Dogmen, Wundern und Sakramenten gegenüber verlangt, bezeichnet den
Punkt, wo jederzeit die Inferiorität der rationalen Belange gegenüber
dem Unbegreiflichen postuliert erscheint.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjpFGrGhrZ07i-_BFgn3v7Ak0q0o8bKau4hljWhBm7G9NDx2TlEHdbbvFJGKhxvjyxqNA0QcPb7AJQZPEC5Vdd1fU4h5POVzSJ_LFUveQMq6Fpfj5hS5yaNbEJB9ujZLn0mjH0O6w/s200/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_14.jpg) |
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Dies vorausgeschickt, sehe ich mit Schmitt im
Verhältnis der Kirche zum „Staat“ ihre Rarionalität und möchte ich
Schmitt selbst als einen Rationalisten in der staatlichen, als
Irrationalisten aber in der theologischen Reihe bezeichnen, wobei ich,
ohne dem Folgenden vorzugreifen, hinzufügen kann, daß Schmitt jene
rationale Kraft, mit der er den pseudo-rationalistischen Staat
analysiert und begreift, eben von der irrationalen Größe der Kirche und
ihren juristischen Normen bezieht. Einen Widerspruch der Schmittschen
Schriften könnte man freilich darin finden, daß die theologische Form
des Systems nicht von Anfang an da ist, nicht aus einem festgegründeten
Glauben, sondern aus Konsequenzen entsteht; daß der Glaube und die
Theologie seines Werkes in energischen Folgerungen zwar und mit raschen
Schritten, aber immerhin doch erst im Verlaufe seines Schaffens errungen
werden. Die ersten Schriften scheinen außerhalb der Kirche entstanden
oder wenigstens konzipiert zu sein. Jene eigentümliche Heuristik des
Stils, die man in seiner soziologischen Methode finden kann, weist
darauf hin. Eine weitgehende Verachtung der traditionellen Legalität ist
im Ursprunge zwar ebenfalls „irrational“, aber im Sinne des Organischen
und des Genies. Daraus entspringt die Schwierigkeit, ihn zu
systematisieren, eine Schwierigkeit, die erst mit den beiden letzten
Schriften, »Politische Theologie« und „Römischer Katholizismus und
Politische Form“ verschwindet.
![](//photos1.blogger.com/x/blogger/7413/1958/200/499722/13.tripulaionyviajememe2003.jpg)
„Die
Diktatur“ (1921) ist diejenige von Schmitts Schriften, die den Autor
zur Kenntnis seines Problems und zur Freiheit führt. Hier, bei dem
Versuch, die Rechtsformen der reformatio zu erfassen, stößt Schmitt auf
Entdeckungen, die für seine folgenden Schriften ebenso wie für seine
Theologie entscheidend werden.
Der quasi-rationalistische Naturstaat seit Macchiavelli erscheint als
eine Revolte gegen den plein pouvoir des religiösen Souveräns, als ein
Ausnahmezustand. Bei einer unter die Anmerkungen verwiesenen
Feststellung des Gesetzesbegriffs von Thomas v. Aquin bis Montesquieu
und Kant begegnet immer wieder, in den verschiedensten
Staatsverfassungen und Doktrinen, das Wort „Diktatur“. Gesetz ist nach
Thomas von Aquin ein „dictamen practicae rationis“. Hobbes spricht von
„dictata rectae rationis“. Nach Locke geschieht im Staate, was „calm
reason and conscience dictate“. Die Erklärung der Menschenrechte von
Massachusetts (1780) führt in Artikel II den Begriff „dictates of his
own conscience“. New Hamphire bekennt sich zu dem unveräußerlichen
Recht, Gott zu verehren „according to the dictates of his own conscience
and reason“, und noch Kant spricht von „dictamina rationis“. Regieren
heißt während der ganzen absolutistischen und jakobinischen Periode eine
„Vernunftdiktatur“ gegenüber der „incondita et confusa turba“ errichten
oder aufrechterhalten. Der Diktator selbst, mag er als Kommissar oder
aus eigener Machtvollkommenheit auftreten, immer charakterisiert ihn,
daß eine fremde oder seine eigene Souveränität ihm den Auftrag erteilt
zur Reform, zur Wiederherstellung gesetzlicher Zustände nach einem
Chaos, in das der Staat geraten war.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjlxjA8jXkQKxAiXUS5nTrtODflAmn-gX9XjTFdTbG5X1xaTDvzcTtTErP8ZDjGjk_P3jkTtbxs4T2QecDW8nFbEGCyc1JNaBFRP77daMQCFYzpk4HJ_X1xUnSbCe3u045reN5ynw/s200/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_15.jpg) |
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Eine gewisse Verwirrung ist in diesem umfangreichsten
Buche Schmitts nicht zu verkennen, und es ist interessant genug, ihren
Grund zu ermitteln. Die Rechtsformen der reformatio sollen erfaßt
werden, aber es ergibt sich dabei, daß die reformatio einen absoluten
Souverän, den Papst als Auftraggeber voraussetzt, und daß, was man
gemeinhin die Reformation nennt, als eine Revolte gegen den religiösen
Souverän rechtlich gar nicht zu begründen ist. Ein Gegensatz von
kommissarischer und souveräner Diktatur wird eingeführt, aber er ist in
der Form, in der Schmitt ihn vorträgt, unhaltbar. Er läßt nur den Punkt
erkennen, an dem der Verfasser sich vom natürlichen Irrationale zum
theologischen wendet. Der vom Papste ernannte Diktator des Mittelalters
ist Aktionskommissar. Er suspendiert die bestehenden Rechte, um den
zerrütteten Rechtszustand, den Staat wiederherzustellen. Insofern die
Wiederherstellung, die reformatio nun im Mittelalter und auch noch in
späterer Zeit, stets von einem konstituierten Organ ausging, vom Papste
oder vom Fürsten, könnte man das Kommissariat als eine rationale
Diktatur bezeichnen. Eine irrationale Diktatur aber läge dann vor, wenn,
nach Schmitts Definition, „auch jemand, der kein konstituiertes Amt hat
und nur a deo excitatus ist, die bestehende Ordnung beseitigt“, so daß
eine Auflösung aller sozialen Form zum Zwecke ihrer höheren
Wiederherstellung zu erkennen ist. Nur fragt es sich dabei, in welchem
Sinne diese Diktatur irrational ist, ob im politischen oder im
theologischen, und mit einem Wort, ob und inwiefern es eine irrationale
Politik überhaupt geben kann.
![](//photos1.blogger.com/x/blogger/7413/1958/200/478339/15.peret.jpg)
Der
homo a deo excitatus,
auf den Schmitt abzielt, ist eine den Schriften der protestantischen
Monarchomachen wohlbekannte Figur; gleichwohl macht Schmitt nur ein
Beispiel für diese Art individueller Souveränität innerhalb der neueren
Staatswesen namhaft: Cromwell.
„Die puritanische Revolution war das auffälligste Beispiel einer
Durchbrechung der Kontinuität bestehender staatlicher Ordnung.“ War nun
Cromwell ein souveräner Diktator, ganz aus der Freiheit geboren, oder
war er ein Usurpator, der, wenn er sich auch auf Gott bezog, Soldaten
hinter sich wußte, auf die er sich stützte? Zunächst die Kennzeichen der
Souveränität, die Schmitt in „Politische Theologie“ (1922) aufzählt.
„Souverän ist, wer die Befugnis hat, das geltende Gesetz aufzuheben.“
„Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“ Der
Ausnahmezustand besteht „in einer Suspendierung der gesamten bestehenden
Ordnung“. In seiner absoluten Gestalt ist der Ausnahmefall dann
eingetreten, „wenn erst die Situation geschaffen werden muß, in der
Rechtssätze gelten können“. Wichtig ist auch der Satz, daß die
Souveränität „nicht ein Zwangs- oder Herrschafts-, sondern ein
Entscheidungsmonopol“ ist. Soweit die rationalen Kennzeichen. Auf die
irrationalen Beweggründe aber deutet Schmitt damit hin, daß, wie er
sagt, gerade nur die Ausnahme, der extreme Fall interessiert; denn in
der Ausnahme „durchbricht die Kraft des wirklichen Lebens die Kruste
einer in Wiederholung erstarrten Mechanik. Umschreibend würde man sagen
können: es gibt Gestaltungen der Geschichte, in denen das Leben so
tödlich verstrickt und geknebelt ist, daß eine legale Lösung nicht mehr
möglich erscheint. Der Lebensstrom kehrt dann in seiner ganzen Fülle zu
seinem Ursprung zurück und erzwingt sich sein Recht nach höheren
Gesetzen. Es gibt einen überlegenen Modus und Weg, eine ewige
Richtlinie, nach denen das Leben auch in Zeiten, die es gefährden, auch
gegen die staatlichen und legalen Approbationen, zu seinem Rechte
gelangt. Es ist die gegebene historische Situation für das Hervortreten
des Heiligen, oder um im Politi sehen zu bleiben, des homo a deo
excitatus. Ein Wunder muß geschehen, und das Wunder wird wieder
geglaubt.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgYRgRXL4i3yqbR5H4cYb9F8t-Jh8dYSLLZugY4KkE7rVgppzvRiRAC-jLcnIDH5Wjq-N8VrHJpkjMhfW_dL2WeufvFZrMdjKU4brcnez15PzuU170QA9TezPwGYV2lR_xewPMkvQ/s200/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_16.jpg) |
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Aber Wunder und Politik — wie vertragen sie sich?
Gibt es politische Heilige, homines a deo excitati, die merkantile und
kriegerische Aktionen leiten? Vermag das Irrationale in direktem
Hervortreten die Politik eines Landes zu leiten? Ist eine souveräne
Diktatur innerhalb des Staates überhaupt möglich? Cromwell ist ohne
Zweifel ein Usurpator, schon deshalb, weil er wütend gegen die Kirche
auftrat. Gewiß, er berief sich auf irrationale Motive, er sah den Quell
seiner Gewalt in Gott und machte seine Souveränität nicht vom Volke im
Sinne der radikalen Demokraten seiner Zeit abhängig. Er läßt niemals
einen Zweifel darüber, daß vor Gott jede weitere irdische Instanz
relativ wird oder schwindet. Aber die physische Macht stand hinter ihm,
während er sprach, und nicht das Wunder. Glückliche Handelsverträge
begünstigten ihn, nicht Traumgesichte und Inspirationen göttlicher Art.
Enfin, er ist ein Ketzer. Niemals wird er kanonisch werden, er war kein
Souverän. Und so nötigt die Konsequenz zu der Aussage, daß Schmitt in
diesem Buche noch an eine Souveränität außerhalb der Kirche glaubt,
während man als römischer Katholik an dem Satze festhalten muß, daß
innerhalb der Politik nur eine kommissarische Diktatur irrational zu
begründen ist; dann nämlich, wenn eine irrationale Macht den Auftrag
erteilt einem Instrumente, das mit rationalen Mitteln die höheren
Absichten der auftraggebenden Macht in die Wege leitet. Der homo a deo
excitatus oder der Heilige in der politischen Auffassung der
puritanischen und deutschen Reformation ist ein Rebell, der nicht an den
Friedensfürsten, sondern an den Kriegsgott glaubt und der seine
politische Mission mit dem Wohlstände der Nation ausweist. Der Heilige
und die Staatsgeschäfte schließen einander aus, solange nicht ein
universaler Glaube herrscht. Das Irrationale kann niemals in direkten
Bezug zum Staate treten. Das ist der Sinn der Kirche als Institution und
der kommissarischen Diktatur. Der souveräne Diktator ist nur innerhalb
der Kirche zu begründen.
X.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh15HO2XGIBYun90-eI5SxyhqivgF9Zg2znnfoC6TR3js48hNO519lm8cOJHZi8_ptbAxKosiEdFYdSFaqQPoll8rlStKaoYC5_AmVsxVRDWKS050nYg_pmXu9c70VB38aK1WofjQ/s200/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_17.jpg) |
Pag. 279 |
Der Versuch einer analogen Anwendung der Antithese
auf das Verhältnis von kommissarischer und souveräner Diktatur mußte
mißlingen, solange Schmitt noch wie in „Diktatur“ an den
übervernünftigen, ekstatischen Belang eines kirchenfeindlichen
Individuums und an eine individuell begründete Souveränität überhaupt
glaubte. In „Diktatur“ unterliegt Schmitt noch den Anschauungen der von
ihm später so heftig bekämpften, materiellen Irrationalisien à la
Sorel. Es verraten sich gewisse antimechanistische Instinkte, die auf
den modernen Ausgangspunkt verweisen. Doch hindert dies nicht, daß der
Gegensatz von kommissarischer und souveräner Diktatur besteht, wenn er
auch, um konkret zu bleiben, nur auf das Verhältnis des päpstlichen
Aktionskommissars zu seinem Auftraggeber angewandt werden kann. Und
ebenso vermochte Schmitt überraschend neue Kennzeichen der Souveränität
zu definieren, ohne daß er plausibel machen konnte, wie ein Hervortreten
des homo a deo excitatus außerhalb der Kirche, oder gar, wie im Falle
Cromwells, im heftigsten Widerspruche mit ihr, solle möglich sein, ohne
in praxi zu einer Verwirrung aller Rechts- und Moralbegriffe zu führen.
![](//photos1.blogger.com/x/blogger/7413/1958/200/160914/18.janco.jpg)
Nun
wird in der ein Jahr später erscheinenden „Politischen Theologie“ der
Souveränitätsbegriff weiter verfolgt, und diese Schrift verlegt, wie der
Titel schon sagt, den Souveränitätsbegriff ausschließlich in die
Theologie. Daß die Souveränität kein „Zwangs- oder Herrschafts-, sondern
ein Entscheidungsmonopol“ ist, garantiert diese Wendung und schließt
alle ferneren Mißverständnisse aus.
Als Kennzeichen der Souveränität erscheint jetzt die schon erwähnte
Befugnis, das geltende Gesetz aufzuheben. Diese Befugnis kann ihrem
Sinne nach nur einer der Politik überlegenen geistigen Macht zustehen,
die ein höheres als das politische Gesetz zur Geltung bringt. Wenn
Schmitt sich auf Bodins „Vraies remarques de souveraineté“ (Kap. X des
I. Buches der Republik) bezieht und es als Bodins Leistung und Erfolg
bezeichnet, daß er die Dezision in den Souveränitätsbegriff
hineingetragen hat, so erinnert man sich, daß Bodin eigentlich nur eine
kommissarische Diktatur kannte (die die Souveränität des Auftraggebers
voraussetzt), aber keine souveräne Diktatur. Eine souveräne Diktatur
übte damals und übt auch heute noch de facto nur der Papst aus, dem sie
von den Konzilien übertragen ist; wobei man streiten kann und lange
gestritten hat, ob diese Diktatur zu Recht besteht, oder in welchem
Sinne sie zu Recht besteht. Dies ist das Problem der kirchlichen
Unionsbestrebungen.
![](//photos1.blogger.com/x/blogger/7413/1958/200/378442/19.dada_artista02.jpg)
In
„Diktatur“ ist Schmitt sein Personalismus gefährlich geworden, ebenso
wie de Maistre der Begriff des „legitimen Usurpators“ gefährlich wurde.
Aber die gewaltige begriffliche, die erschöpfende wissenschaftliche
Leistung dieses Buches scheint ihm die Dinge in einem neuen, demütigeren
Lichte zu zeigen. Er verbindet das Problem der Souveränität jetzt mit
dem der Rechtsform überhaupt, und das schließt eine individuelle Lösung,
wie sie das Diktaturbuch für möglich hielt, aus; es sei denn, daß das
Individuum und die höchste, ideologische Instanz zusammentreffen, was
man von Cromwell, Münzer, Mazzini und anderen individuellen Versuchen,
eine souveräne Diktatur außerhalb der Kirche zu errichten, nicht
behaupten kann.
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Der Begriff der Persönichkeit gewinnt in Schmitts
Werk mit jeder neuen Schrift höhere Bedeutung. Ich wies bereits darauf
hin, wie sehr bei diesem Ideologen das wissenschaftliche und das
persönliche Problem verbunden sind. Wer seiner eigenen Person Dauer zu
verleihen sucht, muß auf die Identität seiner Äußerungen bedacht sein.
Würde und Wert der Person sind anders nicht zu behaupten. Trifft diese
Überzeugung mit einem Hang zum Absoluten und Definitiven zusammen, so
begegnet die religiöse Persönlichkeit, die ein “ewiges Leben“, die
Unsterblichkeit, ein über den Tod und den Zufall erhabenes Sein
erstrebt. Ich nannte diese Einstellung eschatologisch, kätholisch, und
möchte, falls man hierüber weiteren Aufschluß sucht, auf ein Buch des
Spaniers Miguel de Unamuno verweisen, das wenig bekannt ist. * Das
Verhältnis der Person zur Wirklichkeit und zum Jenseits, oder nach
Schmitt zum Staat und zur Rechtsform macht nahezu den Inhalt der
„Politischen Theologie“ aus. Eine Diktatur ist ohne eine bestimmende
Persönlichkeit nicht denkbar, eine Repräsentation von Würde und Wert
ebensowenig. Wie es keine Form, ja nicht einmal eine Wirklichkeit ohne
eine Entscheidung gibt, so wenig ist eine Entscheidung ohne eine Person,
die entscheidet, möglich. Aus der absoluten juristischen Form ist nach
Schmitt die Persönlichkeit nicht hinwegzudenken: „In der Eigenbedeutung
des Subjekts liegt das Problem der juristischen Form.“
*„Le sentiment tragique de la vie“ (Paris 1917), chap. IV, L’essence du catholicisme.
![](//photos1.blogger.com/x/blogger/7413/1958/200/646512/21.hans_arp.jpg)
Kapitel
II der „Politischen Theologie“ setzt der Verfasser sich über das
Formproblem mit der neueren deutschen Rechtsphilosophie auseinander. Ein
energischer Personalismus verdeutlicht dann den Abstand, in dem sein
System zu dieser unserer Zeit steht, deren anonyme, unpersönliche
Physiognomie eine autonome Besinnung nahezu ausschließt. Kelsens Lehre,
wonach der Staat die Rechtsordnung selbst ist, kann Schmitts
theologischer Einsicht so wenig emsprechen, wie die Krabbes, wonach der
abstrakte Staat selbst souverän ist.
„Das Rechtsinteresse ist nicht das höchste Interesse“, das der
metaphysischen Person steht höher. Erich Kaufmanns „Kritik“ der
neukantianischen Rechtsphilosophie“ (und ihrer sterilen Abstraktionen)
erscheint als „die jeinzige Äußerung einer neuen, geistigen Intensität“.
Kaufmann treibt nicht erkenntnistheoretische Spiegelfechterei, sondern
Geschichtsphilosophie. Er folgt den gegebenen Fakten, statt
Abstraktionen sich über den Kopf wachsen zu lassen. Er stellt den Staat,
nicht das Recht in den Mittelpunkt kritischer Betrachtung. Der in
Begriffsklitterungen befangene Neukantianismus vermag das anstürmende
Leben nicht zu bändigen. Kaufmann warnt davor, den Rest von
Irrationalität zu vergewaltigen, der sich rationaler Formulierung noch
entzogen hält; doch irrational heißen hier wieder die Lebenskräfte ganz
allgemein, nicht die Gründe der ratio. So endet auch Kaufmanns Kritik
beim Problem der obersten Form, ohne daß deutlich würde, worin diese
Form denn nun beschlossen läge.
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Pag. 281 |
Schmitt hat seinem Vorgänger gegenüber den Vorteil
seiner katholischen Schulung und seines leidenschaftlich ideologischen
Temperaments. Die objektive, unpersönliche, abstrakte Auffassung der
Form (Kelsen, Krabbe, Preuß), die eine anonyme, formalistische Autorität
an den Anfang der Dinge setzt, diese Auffassung erfährt eine kräftige
Abfuhr. Recht ist dort, wo entschieden wird; wo inappellativ entschieden
wird, ist der Souverän, und wo die Entscheidungen des Souveräns
hervortreten, ist der Ausnahmezustand. Das sind klare und höchst
lebendige Definitionen, die beim stilistischen Rang des Autors nicht nur
juristische, sondern allgemeine Bedeutung haben. Wenn es die besondere
Aufgabe des Philosophen ist, Spannungen innerhalb der Denkwirtschaft
seiner Zeit zu erzeugen, so ist hier eine Krisis in den
Herrschaftsbegriffen heraufbeschworen, die man nicht unterschätzen darf;
denn: „alle Tendenzen der modernen staatsrechtlichen Entwicklung gehen
dahin, den Souverän in diesem (theologischen und ideologischen) Sinne zu
beseitigen“.
XI.
Es
fehlt aber noch das wesentlichste Element der Rechtsform, ihre
universale Verbindlichkeit. Was Schmitts Rechtslehre zur politischen
Theologie stempelt, ist die eigenartige Einführung und Anwendung einer
von ihm meisterhaft gehandhabten Analogie zwischen politischer und
theologischer Norm, zwischen Theologie und Jurisprudenz.
Bei seinen ideen-geschichtlichen Untersuchungen ergibt sich die
merkwürdige Tatsache, daß die staatsrechtlichen Konstruktionen der
Legislateure jeweils den metaphysischen Konstruktionen der Denker
entsprechen. Dieses „Gesetz“, diese Analogie gewinnt in Schmitts Händen
den “Wert einer unfehlbaren Methode, wo es gilt, den Sinn sowohl einer
politischen Doktrin wie einer ihr übergeordneten metaphysischen Notion
zu erschließen. Die Existenz solcher Analogie kannten schon Descartes
und Leibniz. „Merito partitionis nostrae exemplum“, so äußerte sich der
letztere, „a theologia ad jurisprudentiam transtulimus, quia mira est
utriusque facultatis similitudo“. Bei Schmitt führt die Analogie,
nachdem sie erst nur der historischen Erkenntnis diente, zuletzt zur
Feststellung der Theologie als der obersten Form der Jurisprudenz,
insofern deren Begriffe samt und sonders in der Theologie beschlossen
sind und aus ihr hervorgehen. „Alle prägnanten Begriffe der modernen
Staatslehre“, heißt es im III. Kapitel der „Politischen Theologie“,
„sind säkularisierte theologische Begriffe. Nicht nur ihrer historischen
Entwicklung nach, weil sie aus der Theologie auf die Staatslehre
übertragen wurden, indem z. B. der allmächtige Gott zum omnipotenten
Gesetzgeber wurde, sondern auch in ihrer systematischen Struktur, deren
Erkenntnis notwendig ist für eine soziologische Betrachtung dieser
Begriffe.“
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Pag. 282 |
Was ist das: soziologische Betrachtung der
Rechtsbegriffe? Es ist das Bestreben, die geschichtlichen Formen der
Rechtsbegriffe zu ihrer Herkunft zurückzuverfolgen und daraus Schlüsse
zu ziehen auf die absolute Rechtsform. Es ist der Versuch, von der
geschichtlichen Wirksamkeit aus und nicht abstrakt, zum Absoluten zu
gelangen. Insofern setzt eine Soziologie der Rechtsbegriffe eine
„konsequente und radikale Ideologie“ voraus. Nur daß die Ideologie eben
konkret eingesetzt wird und sich durch das geschichtliche Material
hindurchzuarbeiten sucht; sie geht von den historischen Gestaltungen und
Erscheinungsformen aus. Der Philosoph, der solche Soziologie betreibt,
verdankt seine Resultate einer „radikalen Begrifflichkeit, das heißt
einer bis zu Theologie und Metaphysik getriebenen Konsequenz“. Die
erwähnte Analogie ist ein Werkzeug solcher soziologischer Betrachtung,
und zwar ihr vornehmstes Werkzeug. Mit ihr durchdringt der Philosoph die
ihm begegnenden Systeme, von ihr aus konstruiert und begreift er sie.
Die Frage nach den Tatsachen und der Struktur eines Systems wird zuletzt
immer zur Frage nach der bewußten oder unbewußten Theologie, die das
System beherrscht. Erst wenn der Gott oder Götze gefunden ist, dem
vertraut und geglaubt wird, gilt ein System, eine Zeit, für begriffen.
Die Sprache Gottes, die Theologie, ist höchster Begriff, nicht nur der
Jurisprudenz, sondern auch der Kunst, der Politik, der Person, ja der
Zahl und der Zeit.
![](//photos1.blogger.com/x/blogger/7413/1958/200/268629/25.rh_phantast.jpg)
Neben der Antithese von
ratio
und irrational ist die juristisch-theologische Analogie das
wesentlichste Strukturprinzip der Schmittschen Schriften. Genau besehen
aber sind beide Prinzipien ein und dasselbe.
Denn die Theologie verhält sich zur Jurisprudenz — das meint auch die
partitio nostra des Leibniz — wie das Irrationale höheren Sinnes sich
zur ratio verhält. Auch in diesem Zusammenhange knüpft Schmitt an
Resultate der „Politischen Romantik“ von 1919 wieder an. Dort hatte er
die Analogie zum ersten Male erwähnt und verwertet. „Diktatur“ war ein
Abweg, oder sie ist schon vor dem Romantikbuche entstanden. In
„Diktatur“ stimmte die Antithese mit der Analogie nicht überein; das
führte zu einer Verwirrung der Grundbegriffe. Die Einheit des
Schmittschen Werkes beruht in der Erhellung der Vernunftbeziehungen zum
Übervernünftigen als ihrem Formprinzip. Diese Beziehungen aber sind
akkurat die Beziehungen der Jurisprudenz zur Theologie, und nicht wie in
„Diktatur“ die Beziehungen der Jurisprudenz zur Willkür einer
Usurpation.
![](//photos1.blogger.com/x/blogger/7413/1958/200/956885/26.huelsenbeck.grosz.jpg)
Ich
möchte nicht unterlassen, in aller Kürze einige Beispiele der Analogie
anzuführen. In „Politische Romantik“ zeigt Schmitt, weshalb der typische
Romantiker die Wirklichkeit nicht zu begreifen vermag.
Er ist dazu außerstande, weil er die höchste begriffliche Realität,
diejenige Gottes, durch zwei Pseudo-Realitäten, Gemeinschaft und
Geschichte, ersetzt sieht, die er als Autoritäten empfindet, ohne daß
sie es seien. Der Romantiker, das Genie der Zeit, dessen Aufgabe es
wäre, die Zeit zu begreifen und zu gestalten, sieht sich der völligen
Unmöglichkeit gegenüber, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Er ist zur
Impotenz, zur endlosen Diskussion, zu einer haltlosen Rhetorik
verurteilt. Er sucht seine Freiheit im skeptischen oder ironischen
Konsentement, in wohlfeilen Sophismen. Er vermag das Problem weder zu
entscheiden, noch zu realisieren, weil ihm der höchste Begriff, die
Realität Gottes, zerstört ist. Darum aber vermag Schmitt seinerseits die
Romantik in einer so eminenten Weise zu begreifen, weil ihre politische
Situation ihn zu ihrer metaphysischen und theologischen Struktur führt,
wo sich denn die Konflikte dieser Bewegung in universaler Vielfalt
erschließen.
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Pag. 283 |
Ein anderes Beispiel aus der „Diktatur“. Descartes
Metaphysik lehrte, daß Gott nur eine volonté générale habe, und daß
alles Partikuläre seinem Wesen fremd sei. Rousseaus Gesetzgebung
fordert analog, daß das Individuum auf alle seine Sonderrechte zugunsten
der volonté générale als omnipotentem staatlichem Faktor zu verzichten
habe, um von der volonté générale seine Rechte als generelles Gesetz
wiederzuerhalten. Der Begriff des Legislateur selbst ist bei Rousseau
dergestalt definiert, daß seine Wirksamkeit etwa dem Anstoß jener
okkasionellen Ursachen entspricht, die bei Malebranche in der
metaphysischen Reihe als die lois générales von Gott in Bewegung gesetzt
erscheinen. Aus den Naturgesetzen aber, wie Descartes, Malebranche und
Leibniz sie entwickeln, sind dann bei Holbach bereits „Gesetze der
wirtschaftlichen Entwicklung“ geworden, denen der Staat sich zu
unterwerfen habe.
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In Schmitts letzter Schrift „Römischer Katholizismus und Politische Form“
findet sich der abschließende Satz, daß ein mechanistisches Zeitalter
sich das höchste Wesen überhaupt nur außerhalb der Dinge als allgemeinen
Beweger, als Monteur und Installateur der kosmischen Maschine denken
könne, und in derselben Schrift begegnet die wichtige Feststellung der
Religion einer modernen europäischen Gesellschaft, die eine Religion der
Privatsache und des Privateigentums genannt wird.
XII.
Es
ist immer wieder überraschend, wie sehr bei Schmitt die typische
Fragestellung des Thomismus nachwirkt oder wiederauflebt; jenes ganz zur
Erfahrung geneigten mittelalterlichen Systems, das die Irrationalität
der Dogmen verteidigte, indem es zu zeigen versuchte, daß die
Übervernünftigkeit dieser Dogmen nicht eben widervernünftig, oder gar
unvernünftig zu sein brauche, und das alle Kräfte der ancilla
philosophia darauf verwandte, die Verbindungen von Übervernunft und
Vernunft, von Theologie und Philosophie, von Heilig und Profan
abzugrenzen.
— Auch in „Römischer Katholizismus und Politische
Form“ steht das Problem der ratio im Mittelpunkte der Gestaltung, einer
sehr kunstvollen Gestaltung, die so sehr gelungen ist, daß die
wissenschaftliche Frage auch stilistisch ins theologische Geheimnis
mündet. Schon der Titel zeigt das oben konstatierte Gegensatzpaar von
Theologie und Politik; nur ist der Gegensatz jetzt in die absolute
Sphäre gehoben. In dieser Sphäre wird aus der Theologie ein »Römischer
Katholizismus« und aus der Politik die „Politische Form“. Um es
vorwegzusagen: es ist auch der andere Gegensatz von Irrational 'und
Rational, mit der radikalen Zuspitzung, daß beide Antithesenglieder
jetzt in die Theologie verlegt sind: insofern nämlich dem „Römischen
Katholizismus“ auch die rationale Formkraft der Politik gegenüber
zuerteilt wird. Mit anderen Worten: die römische Kirche hütet die
Irrationalität und gelangt bei der Erfassung und Normierung des
materiellen Status zur Ausprägung der rationalen Formen.
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Pag. 284 |
Ratio heißt im Lateinischen nicht nur
Vernunft, sondern auch Rechenschaft, Aufschluß, Maß, Gesetz und Methode.
Ratio ist allgemein genommen ein Sichverhalten einer Sache oder Person
zu einer anderen, der Aufschluß über die Beschaffenheit eines
Phänomens, und ebenso hat das Wort die Bedeutung von „Einrichtung“
überhaupt. Vernehmen kann die Vernunft schließlich nur, was ihr
verkündet wird, und so könnte man sagen, daß die kirchliche ratio sich
nach oben auf die Offenbarung und nach unten auf den Staat bezieht. Wie
dem auch sei; die ratio setzt ihrem Wesen nach die repraesentatio
voraus, als welche, um bei dieser grammatischen Pedanterie noch ein
wenig zu verweilen, die Vergegenwärtigung, die bildliche Darstellung
einer Sache bezeichnet und ihrer Natur gemäß Gegenstände unbildlicher,
immaterieller, ideologischer, irrationaler Art umfaßt. Das sind die
Grundbegriffe, um die der Lateiner Carl Schmitt seine Schrift gruppiert,
und zwar läßt er sie seiner Antithese getreu vom Verhältnis der ratio
zu repraesentatio handeln, ein scholastisches Thema, das hier im
konkreten Gewände heutiger Prägung erscheint.
![](//photos1.blogger.com/x/blogger/7413/1958/200/932656/29.sriimg20030414_1762951_0.jpg)
Daß
die soziologische Konsequenz zum römischen Katholizismus führen mußte,
kann bei dem retrospektiven Bestreben dieser Methode nicht überraschen.
Alle Begriffe der Legislative und Metaphysik, die im europäischen
Geschichtsverlauf der letzten Jahrhunderte hervortraten und auf die
Gestaltung der Gesellschaft Einfluß gewannen, gehen auf die
mittelalterliche Suprematie der römischen Kirche und weiterhin darauf
zurück, daß diese Kirche, wie Schmitt sagt, „im größten Stile die
Trägerin juristischen Geistes und die wahre Erbin der römischen
Jurisprudenz“ ist. Das Verhältnis ihrer überrationalen Einsichten zum
Staat zu bestimmen, ist ihr spezifischer Beruf, seit die Nachfolger
Petri das Brückenamt des akrömischen Pontifex maximus übernahmen. Nicht
als ob es seitdem kein römisches Recht außerhalb der Kirche gebe: aber
so gewiß der griechische Areopag die oberste Kult- und Rechtsbehörde
zugleich war, so gewiß war es der altrömische Pontifex maximus, und ist
es der christliche.
![](//photos1.blogger.com/x/blogger/7413/1958/200/143610/30.dadaismo.jpg)
Die
ratio
ist die Brücke vom konkreten Gott zum konkreten Volk, .und nicht etwa,
wie in den sogenannt rationalistischen Werken die Brücke von einer
skeptischen und abstrakten Philosophie zu einer dämonischen
Wirklichkeit.
Die ratio setzt den Glauben an Realität Gottes und eine Repräsentation,
eine Vergegenwärtigung dieses Glaubens voraus. Der Rationalismus der
Kirche beruht nach Schmitt „im Institutionellen“, in einer „spezifisch
formalen Überlegenheit über die Materie des menschlichen Lebens“. Der
katholischen Argumentation liegt eine „besondere, an der normativen
Leitung des sozialen Lebens interessierte, mit spezifisch juristischer
Logik demonstrierende Denkweise“ zugrunde, und diese formale Eigenart
des römischen Katholizismus „beruht auf der strengen Durchführung des
Prinzips der Repräsentation“. Der Papst ist nicht der oberste Prophet,
sondern der Stellvertreter, der Vikar Christi; er repräsentiert die
abwesende, ekstatische, irrationale Person Christi, repräsentiert die
Gemeinschaft der (in der Ekstase abwesenden) Heiligen, den Leib Christi,
die Kirche. „In solchen Distinktionen“ (nicht Prophet, sondern
Stellvertreter), sagt Schmitt, »liegt die rationale Schöpferkraft der
Kirche«. In der Repräsentation liegt ihr Wille zur Verantwortung, ihre
publizistische Form, im Gegensätze zu all den Religionen, deren
Überzeugung Privatsache ist.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjxj2aRzJ7iTeeptpRiU-KQfikfDTedg8VKHat_T2IUmGpCYlp8QMmyYvrH59nny5jyjMhWKxP9XnWgTcHlqFVJiNLwnfr-yrtB4B1PHf89hxJIrlo3DbJYRslsp3MJIL2iZ2rNXA/s200/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_23.jpg) |
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Im römischen Katholizismus sieht Schmitt die
juristische, politische, ja die ideologische Form überhaupt und damit
alle höheren Kategorien der europäischen Zivilisation garantiert. Die
formalen Zusammenhänge sind aus dem Vorhergehenden ohne weiteres klar.
Inhaltlich aber erklärt sich die Stellung, die Schmitt der römischen
Kirche zuweist, aus ihrer Kraft zur Repräsentation. „Sie repräsentiert
die civitas humana, repräsentiert in jedem Augenblick den historischen
Zusammenhang mit dem historischen Augenblick der Menschwerdung und des
Kreuzesopfers Christi, sie repräsentiert Christus selbst“, mit allen
Attributen, so könnte man hinzufügen, die das Credo ihm gibt, worunter
die juristischen Attribute einen entscheidenden Rang einnehmen. Denn
nach dem Credo leidet Christus unter Pontius Pilatus, das heißt die
irrationale Person leidet unter der Politik, und nach dem Credo kommt
Christus zu richten die Lebendigen und die Toten: die irrationalia und
die rationalia, wenn man mit Baco von Verulam unter den Lebendigen die
Theologie und unter den Toten die Philosophie verstehen darf.
![](//photos1.blogger.com/x/blogger/7413/1958/200/793625/32.hanna7.jpg)
Es
ist kein Zufall, wenn Schmitt gegen Sorel die lebendige Eschatologie
einiger neueren Katholiken (Veuillot, Bloy, Cortes, Robert Hughes
Benson) verteidigt. Er hätte an dieser Stelle vor allem auch auf die
Heilig- und Seligsprechungen der letzten Jahrzehnte hinweisen können, in
denen die von Sorel bestrittene „mythologische“ Vitalität der Kirche
und ihr Gericht kanonisch zum Ausdruck kommen.
Die Eschatologie ist mit den Fragen der Repräsentation, wie Schmitt sie
behandelt, aufs engste verbunden. Die repraesentatio entspringt dem
Streben nach Dauer und Endgüliigkeit. Institutionen ist sie die
Gegenwart über den Tod hinaus und in ihrer Spitze die Allgegenwart.
Unamuno in seiner Philosophie des Irrationalen erklärt den (der
Repräsentation zugrunde liegenden) „soif d'immortalité“ für die
eigentlich christliche und katholische Entdeckung. „Quid ad
aeternitatem? Voilà la question capitale. Specifiquement religieux dans
le catholicisme c’est l’immortalisation et non la justification à la
manière protestante.“ Die institutionelle Repräsentation ist die
Vergegenwärtigung der Immortalität: der Dauer. Sie gibt dem römischen
Katholizismus jenes „Pathos der Autorität“, das Schmitt als ihre
politische Macht bezeichnet, jene Würde und Überlegenheit über den
politischen und sozialen Zufall. Darum kann sie jederzeit zur Quelle
neuen Rechts werden, weil jede neue politische Konstellation ihr Gesetz
und ihr Maß nur vom Absoluten beziehen kann. Die Dauer, wc sie
repräsentiert wird, entscheidet; denn (mit Unamuno zu sprechen) „qu’y
a-t-il de plus utile. de plus souverainement utile, que d’avoir une âme
destinee à ne jamais mourir?“ Und so ist in den repräsentativen Formen
des römischen Katholizsmus auch jenes Pathos der Entscheidung enthalten,
das Schmitt in früheren Schriften als „souveräne Diktatur“ bezeichnete.
Diese Welt des Repräsentativen ist es, die der Kirche ihre Kraft zur
dreifach großen Form gibt: „zur ästhetischen Form des Künstlerischen,
zur juridischen Rechtsform und endlich zu dem ruhmvollen Glanz einer
weltgeschichtlichen Machtform“.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEitLbYA5UoloAFwZWMnj1ox4X9Kn9aFVS8_Iq1C3UPudCMR5NK8XrxKuOvslb00g00Iysy_0sqqXPUoQW13UcUWRPcgwbnoyuJ5bdMxiAiptfzJVFYRyMqeGw8mmxjWu_YZGeBAmg/s200/Ball%252C+Hugo+LT110_Pagina_24.jpg) |
Pag. 286 |
Jene Impulse aber, die den »antirömischen Affekt«
beleben, enthüllen sich damit in ihrer Konsequenz als normfeindlich, als
abhold der politischen Verantwortung wie der künstlerischen Gestalt.
Mit welchen Gründen immer sie die ratio der Kirche bestreiten, umgehen,
oder in ein »höheres Dritte« aufzuheben versuchen, sie sind gegen die
metaphysische Würde, gegen den Heroismus des Menschen gerichtet. Sie
treiben zur Willkür, oder zu einer unkontrollierbaren Mystik, zum
Vorbehalt eines privaten Gewissens, oder zur Verneinung der Autorität.
Die Gegner mögen mit Rudolf Sohm in der Juristik der Kirche ihren
eigentlichen Sündenfall sehen, oder mit Dostojewsky einen indischen
Schauder vor Macht und Gesetz empfinden; sie mögen mit der Freimaurerei
die übernatürliche Institution als inhuman befehden, oder mit Bakunin
und Marx die Ideologie selbst beseitigen wollen; gemeinsam bleibt allen
diesen Gegnern die Abneigung gegen die rationale Formkraft des
Absoluten. Diese aber erweist nach Schmitt gerade darin ihre Humanität,
daß sie nicht anders als in der Verwirklichung, in der
Selbstdarstellung, die übervernünftigen Werte sichtbar machen und zur
Geltung bringen kann. Alle jene Gegner arbeiten dem modernen norm- und
formfeindlichen Verbrauchsstaat in die Hände, wie wenig sie eine so
fatale Allianz suchen mögen und mit welchen Sophismen immer sie ihr zu
entgehen bestrebt sind. Das ist dagegen die große Bedeutung der Kirche,
daß sie zur Repräsentation auch diejenigen einlädt, an die sie sich
wendet, sei es das einzelne Individuum, oder die formierte Gesamtheit
der Individuen, der Staat.
![](//photos1.blogger.com/x/blogger/7413/1958/200/173211/33.02-1.jpg)
Damit sind wir beim Ausgangspunkt wieder angelangt: beim Gegensätze des Ideologen zum modernen mechanisierten Konsum.
Der kapitalistische Industriestaat von heute wie der sozialistische von
morgen, beide kennen und anerkennen weder Form noch Repräsentation; sie
haben nicht einmal die Kraft zu einer eigenen Sprache. Sie sind auf
Bedürfnissen aufgebaut, die identisch sind mit dem Nichts. Ihr
fatalistisches Ziel ist ein sich selbst regierender, selbst
regulierender Ablauf von Wirtschaftsprozessen. Mit einem Automaten aber
ist keine persönliche, politische, ideologische, keine vernünftige
Verbindung möglich. Solange sich dieser Staat mit erstaunlicher Inbrunst
im Widervernünftigen aufhält, kann ihn eine Vermittlung
übervernünftigen Werte kaum interessieren. Doch die Kirche kann warten.
„Sub specie ihrer alles überlebenden Dauer wird sie die complexio alles
Überlebenden sein.“
Fonti iconografiche e sonore:
1.
Hugo Ball: Flight Out of Time
2.
artesonoro. E’ possibile ascoltare il sonoro della celebre poesia di Hugo Balla “Karawane”.
3.
Dada - The AntiWar Art Movement.
4.
Hugo Ball.
Studiò dal 1906 al 1910 germanistica, sociologia e filosofia in
Munchen e Heidelberg. Scheda biografica del Projekt Gutenberg-DE.
5.
Myspacemusic.
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